Das serbische Militär errichtete in der Belgrad Arena in der Hauptstadt ein provisorisches Krankenhaus. Die Lage spitze sich dort nicht nur wegen steigender Neuinfektionen zu, sondern auch wegen harter Kritik am serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic. Es kam zu heftigen Ausschreitungen (siehe Update vom 9. Juli, 11.30 Uhr).
Update vom 9. Juli, 11.30 Uhr: Erneut ist es am Mittwochabend in Serbien zu Demonstrationen gegen geplante Corona-Maßnahmen. Durch umfassende Ausgangssperren in der Zeit des Corona-Ausnahmezustands von Mitte März bis Anfang Mai hatte die Regierung die Infektionszahlen weitestgehend in den Griff bekommen. Seit knapp zwei Tagen stecken sich jedoch wieder rund 300 Menschen pro Tag nachweislich mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 an. Besonders davon betroffen ist die Hauptstadt Belgrad.
Präsident Aleksandar Vucic hatte einen Verzicht für die am Wochenende geplante Corona-Ausgangssperre zwar in Aussicht gestellt, nichtsdestotrotz sind in Belgrad und in anderen Städten des Balkanlandes am Mittwochabend erneut Tausende Menschen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen auf die Straßen gegangen.
Die Polizei setzte Medienberichten zufolge erneut Tränengas und Knüppel gegen die Demonstranten ein. Auch berittene Polizei kam zum Einsatz. Die Demonstranten warfen Steine und Feuerwerkskörper auf die Polizisten. Zehn Polizisten sollen verletzt worden sein. In Belgrad riegelten starke Polizeieinheiten das Zentrum am Abend ab. Wie die Bild-Zeitung berichtet sollen Demonstranten versucht haben das Parlament zu stürmen. Gegen Mitternacht flauten die Proteste ab, die Menschenmassen lösten allmählich auf. Nach ersten Medienberichten wurden mindestens zehn Polizisten verletzt. Das serbische Fernsehen berichtete, dass Kamerateams bei den Protesten in Novi Sad und Nis von Demonstranten angegriffen worden seien.
In Belgrad solle es „definitiv“ schärfere Corona-Einschränkungen geben, wie Präsident Vucic sagte. Geplant war eine Ausgangssperre von Freitag bis Montag. Der Krisenstab der Regierung sei jedoch der Ansicht, dass es keine Ausgangssperre geben sollte. Am Donnerstag, 9. Juli, soll eine Entscheidung fallen.
Update vom 8. Juli, 14.16 Uhr: In Bulgarien steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen nach den Lockerungen rasant an. Mit 188 neuen Corona-Fällen wurde am Mittwoch ein Tagesrekord seit Beginn der Pandemie verzeichnet. Damit stieg die Zahl der Infektionen in dem ärmsten EU-Land mit einer Bevölkerung von knapp sieben Millionen Menschen insgesamt auf mehr als 6100. Vor einem Monat lag sie noch bei rund 2700.
Wegen schnell steigender Corona-Fallzahlen ordnete Regierungschef Boiko Borissow bereits Ende Juni an, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser umgehend erhöht werden sollen. In Bulgarien gilt seit 22. Juni wieder Maskenpflicht in geschlossenen, gemeinschaftlich genutzten Räumen wie etwa Läden, Banken, Tankstellen, Behörden und Kirchen. Doch nicht wenige Bulgaren wollen sie demonstrativ nicht einhalten. Wirksame Kontrollen gibt es kaum. In Supermärkten tragen Mitarbeiter nicht selten keinen Mund-Nasen-Schutz oder ihre Masken hängen am Hals.
Aufgrund der steigenden Coronavirus-Infektionen in der Balkanregion hat Österreich seine Reisewarnungen weiter verschärft und gleich um drei Staaten erweitert. Die Warnhinweise der Kurz-Regierung gelten ab sofort für Bulgarien, Rumänien und Moldau.
Auch wurden die Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien deutlich verstärkt, erklärte Kanzler Sebastian Kurz „Wir erleben immer mehr Einschleppungen aus dem Ausland“, so Kurz und appelliert an die Bürger: „Bitte reisen Sie nicht in diese Länder.“ An den Grenzen sollen rund 2000 Polizisten zum Einsatz kommen. Auch Reisebusse würden künftig kontrolliert. Wer trotz der Warnung in die betroffenen Länder fährt, muss nach der Heimkehr in Corona-Quarantäne - oder einen negativen Testbefund vorweisen.
Erstmeldung vom 6. Juli 2020:
München - Während die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 in Deutschland und Österreich weitestgehend auf einem konstant niedrigen Niveau bleiben, explodieren die Statistiken in anderen Teilen Europas momentan regelrecht.
Aufgrund der rapide ansteigenden Infektionszahlen in der Balkanregion entschloss sich die österreichische Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz nun dazu, eine Reisewarnung für einen Großteil der betroffenen Länder auszusprechen. So warnt das österreichische Ministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten nun vor Reisen in die Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Für das beliebte Urlaubsziel Kroatien gibt es zwar noch keine offizielle Reisewarnung, jedoch gibt das österreichische Ministerium ein „hohes Sicherheitsrisiko“ für das Land an.
Dabei sah es in den letzten Monaten danach aus, dass die Balkanregion und die umliegenden Länder die Coronavirus-Pandemie relativ glimpflich überstehen könnten. So bewegten sich beispielsweise die täglichen Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 in Serbien im Mai und Juni weitestgehend konstant unter 100, ehe sie in der vergangenen Woche um 125 Prozent zunahmen.
Insgesamt stieg die Zahl der Infizierten in dem Land mit knapp sieben Millionen Einwohnern auf über 16.000. Man kann also nicht wirklich von einer zweiten Welle sprechen, welche die Region erreicht. Viel mehr handelt sich wohl um eine verspätet eintreffende erste Welle. Besonders radikal zeigen sich die steigenden Infektionszahlen, wenn man einen Blick auf Kroatien wirft. Dort erkrankten im Vergleich zur Vorwoche über 230 Prozent mehr Menschen an Covid-19.
Übrigens: Angesichts der vergleichsweise geringen Corona-Infektionszahlen in manchen deutschen Bundesländern diskutieren Politiker hierzulande über eine Abschaffung der Maskenpflicht für den Einzelhandel. Nun hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Debatte eingeschaltet.
Doch wie lässt sich dieser Anstieg erklären? Nachdem ein Großteil der betroffenen Ländern beim Ausbruch der Corona-Pandemie relativ schnell einen Lockdown verordnet hatten und das öffentliche Leben weitestgehend gestoppt hatten, wurden relativ bald umfassende Lockerungen* beschlossen. Einerseits, um Entlastung für die stark betroffene Wirtschaft zu bringen und andererseits weil vielerorts wichtige Wahlen anstanden. In Serbien wurde bereits am 21. Juni gewählt. Die Parlamentswahlen in Kroatien fanden am gestrigen Sonntag statt und Nordmazedonien folgt am 15. Juli.
Um nicht den Unmut der Wähler zu erfahren, entschlossen sich ein Großteil der betroffenen Regierungen zu umfassenden Lockerungen. In Kroatien füllten sich die Adria-Strände erneute, während in Serbien das prestigeträchtige Fußballderby zwischen den beiden Hauptstadtklubs Roter Stern und Partisan Belgrad vor 20.000 Zuschauern im Stadion ausgetragen wurde. Auch bei der vom serbischen Tennis-Superstar Novak Djokovic organisierten und vor Zuschauern ausgetragenen Adria-Tour kam es gleich zu mehreren Neuinfektionen. Unter anderem infizierte sich auch der Djokovic selbst.
Mediziner und Virologen warnen wegen den jüngsten Infektionszahlen nun vor einer Überlastung des Gesundheitssystems und fordern erneute Einschränkungen, die für die arg gebeutelte Wirtschaft* jedoch zum Todesstoß werden könnten - so die Furcht.
Das Auswärtige Amt in Deutschland hat für die gesamte Balkanregion Warnhinweise wegen der steigenden Infektionen ausgegeben. Lediglich für den EU-Mitgliedsstaat Kroatien lagen am Montag noch keine solchen Hinweise vor. (fd)
Forscher beschäftigen sich derweil auch weiterhin mit den möglichen Spätfolge, die eine Covid-19-Erkrankung mit sich bringen könnte.
*merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.