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Amerikanische Carbonara mit Parmesan aus Wisconsin? Italien wütet nach Experten-Artikel

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Von: Richard Strobl

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Carbonara und Parmesan keine uralten italienischen Rezepte? Ein Uni-Prof sorgt für Wirbel. (Symbolbild)
Carbonara und Parmesan keine uralten italienischen Rezepte? Ein Uni-Prof sorgt für Wirbel. (Symbolbild) © IMAGO / Wirestock

Carbonara, Parmesan und Tiramisu - keine ur-italienischen Gerichte? Diese Theorie vertritt ein Uni-Professor und löst in Italien Entrüstung aus.

Rom – Italien ist weltweit bekannt für das „Dolce Vita“, das zu einem großen Teil aus den bekannten Speisen und Getränken besteht. Seien es Pizza, Pasta, Parmesan oder Prosecco: Der kulinarische Reichtum Italiens findet auf der ganzen Welt begeisterte Verehrer. Und die Italiener selbst sind unglaublich stolz auf ihre Küche. Wohl gerade deshalb sorgt ein Artikel der Financial Times aktuell für einen Sturm der Entrüstung in Italien.

„Der echte Parmesan kommt aus Wisconsin“, lautet da etwa eine der Thesen. Und auch italienische Klassiker, wie Carbonara, Tiramisu und Panettone werden kontrovers besprochen. Urheber der Thesen ist Alberto Grandi, Lebensmittelhistoriker und Professor an der Universität Parma. Er hat sich laut Repubblica schon zuvor mit der „Entlarvung“ von Mythen in der italienischen Kulinarik beschäftigt und für Aufsehen gesorgt. Nun zweifelt er den italienischen Ursprung von diversen Klassikern der italienischen Küche an.

Echter Parmesan aus den USA: Experte legt sich mit Italiens Kultur-Erbe an

„Vor den 1960er Jahren wogen die Parmesanräder nur etwa 10 kg (im Vergleich zu den schweren 40-kg-Rädern, die wir heute kennen). Und sie waren von einer dicken, schwarzen Kruste umgeben. Seine Textur war fetter und weicher als heute“, meint Grandi etwa und schlussfolgert: Die „exakte moderne Entsprechung“ des Ur-Parmesans sei der Wisconsin-Parmesan. Auswanderer hätten diesen in Wisconsin angebaut. Im Gegensatz zu den Herstellern in Italien habe sich ihr Rezept aber nicht verändert. Das Original ist also heute amerikanisch, so die Schlussfolgerung.

Auch die Pizza wird besprochen. Sie sei ein „Paradebeispiel“, wie ein Produkt im Nachhinein als typisch italienisch eingestuft wurde. Die belegten Teigscheiben seien in Form von Pida, Pita oder bene Pizza über Jahrhunderte im ganzen Mittelmeerraum zu finden gewesen. Als aber 1943 US-Soldaten nach Sizilien kamen, waren sie nach Grandis Aussage verwundert, dass es keine Pizzerien gab. Das Gericht war keineswegs weit verbreitet in Restaurants. Die erste Pizzeria gab es seiner Aussage nach dann auch nicht in Italien, sondern 1911 in New York.

Italiener wüten: Experten sehen Carbonara als US-Erfindung

Auch die Carbonara in ihrer heutigen Form sei letztlich eine amerikanische Erfindung. 1944 habe ein italienischer Koch sie erstmals in der heutigen Form für US-Soldaten zubereitet. Die Zutaten kamen dabei von den GIs. Die Carbonara sei „ein amerikanisches Gericht, das in Italien geboren wurde“, zitiert die Financial Times den Lebensmittelhistoriker Luca Cesari hierzu. Italienische Mythen, dass die Carbonara ein Arbeiteressen aus dem 18. Jahrhundert sei, seien schlicht falsch.

Viele italienische Gerichte, auf die die Italiener so stolz sind und die leidenschaftlich gegen Rezept-Änderungen verteidigt werden, seien eigentlich relativ neue Rezepte, so Grandi.

Seine Theorie, warum dies so ist: Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte Italien eine neue Tradition und fand sie letztendlich auch in der Kulinarik. „Wenn eine Gemeinschaft aufgrund eines historischen Schocks oder Bruchs mit ihrer Vergangenheit ihres Identitätsgefühls beraubt wird, erfindet sie Traditionen, die als Gründungsmythen fungieren“, so Grandi in der Financial Times. Italien brauchte eine Identität und die Auswanderer in den USA brauchten seiner Meinung nach Mythen, die ihre Herkunft „würdigen würden“.

Der Artikel löst in Italien nun wütende Reaktionen aus. Von einem „surrealen Angriff auf die symbolträchtigen Gerichte der italienischen Küche“, spricht der Bauernverband Coldiretti laut Repubblica. Bei Grandis Ausführungen handle es sich schlicht um „fantasievolle Rekonstruktionen“.

In Italien fürchtet man die Folgen des Artikels. Schließlich sind die Speisen und Getränke ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor in Italien. Laut Bauernverband sorgen Plagiate von italienischen Lebensmitteln ohnehin schon für schwere Verluste.

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