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Nach Winnetou-Eklat: ZDF bittet, „I-Wort“ nicht zu verwenden - Sender löscht Post und äußert sich

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Ravensburg nahm ein Winnetou-Kinderbuch wegen „verharmlosender Klischees“ vom Markt und heizte damit eine Debatte an. Nun sorgt das ZDF für eine weitere Diskussion.

Ravensburg - Die Entscheidung des Ravensburger Verlages, ein Winnetou-Kinderbuch zurückzuziehen, sorgt für hitzige Diskussionen. Wie ein Unternehmenssprecher am Montag bestätigte, wurde die Auslieferung des Buchs aufgrund „verharmlosender Klischees“ über die Behandlung der indigenen Bevölkerung in dem Werk bereits gestoppt. In einer Facebook-Diskussion zum Thema bat das ZDF darum, das „I-Wort“ nicht zu verwenden - und sorgte damit für eine weitere Debatte. Warum eigentlich? Und was sagt die Schauspielerin Uschi Glas aus dem Original Winnetou-Film dazu?

ZDF bittet in Facebook-Beitrag, das „I-Wort“ nicht zu verwenden

„Hallo zusammen, wir freuen uns über eine Diskussion zum Thema. Bitte bleiben Sie dabei sachlich und vermeiden Sie pauschalisierende Äußerungen“, so die Bitte des ZDF unter einem Facebook-Beitrag zum Winnetou-Buch. „Bitte achten Sie darauf, das I-Wort in der Kommunikation zu vermeiden, da wir rassistisch geprägten Begriffen keine zusätzliche Plattform geben möchten.“ Diese Bitte schien zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen, denn es folgten zahlreiche hitzige Kommentare. Einige Nutzer reagierten, indem sie frühere Beiträge des ZDF posteten, in denen der Sender selbst das „I-Wort“ noch ausschrieb.

Intern gebe es keine Handlungsanweisung zur Verwendung bestimmter Begriffe, teilte ein ZDF-Pressesprecher am Donnerstag auf eine Merkur.de-Anfrage mit. „Den betreffenden Post haben wir zwischenzeitlich gelöscht“, so der Sprecher weiter. Man habe dies durch die folgende Formulierung ersetzt: „Liebe Community, wir haben einen unserer Kommentare unter diesem Post gelöscht. Darin haben wir User*innen aufgefordert, ‚das I-Wort in der Kommunikation zu vermeiden‘. Diese unglückliche Formulierung bedauern wir. Gleichwohl bitten wir grundsätzlich, auf die sensible Verwendung von Sprache zu achten.“

„Prima, dass man sich hier um ein weiteres, weltbewegendes Problem kümmert“, schrieb ein Nutzer zur Diskussion ironisch. Anders sieht das Thema aus der Perspektive von Betroffenen aus. In 90 Ländern weltweit leben etwa 476 Millionen Indigene, das entspricht etwa sechs Prozent der Weltbevölkerung. Der US-Amerikaner Kendall Old Elk ist einer von ihnen. Der Native American aus Montana gehört der Apsaalooke Nation an und erklärt, dass viele Menschen klischeehafte Vorstellungen von indigenen Völkern haben. Wenn jemand ihn bespielsweise mit „Howgh“ begrüßt, erkläre Kendall immer, dass „diese Sachen nicht echt sind, dass sie von Winnetou stammen, dass sie von Hollywood sind“, wie er dem ZDF sagte. Viele Menschen würden denken, dass Winnetou ein echter Native American war und verstünden nicht, „dass das, was sie tun oder sagen rassistisch ist“, so der Apsaalooke weiter.

Winnetou-Bücher
Cover des Buches „Der junge Häuptling Winnetou - Das Buch zum Film“ aus dem Ravensburger Verlag. © Verlag Ravensburger/dpa/Handout

Wissen über Kulturen hinterfragen: „Nicht alle Deutsche tragen Lederhosen“

Kendall Old Elk wünscht sich, dass Menschen ihr Wissen über Kulturen immer hinterfragen, er wisse schließlich auch, dass nicht jeder Deutsche Lederhose trage. Doch der US-Amerikaner räumt auch ein, dass das Wort ihn in Deutschland nicht so sehr stören würde. Kostüme hingegen könnten Indigene schnell wie Maskottchen oder Spielzeug aussehen lassen.

Das „I-Wort“ ist, genau wie das „N-Wort“ oder „Z-Wort“ eine Fremdbezeichnung. Letzteres wurde jahrhundertelang verwendet, um Sinti und Roma abzuwerten, erklärt etwa Aktivist Gianni Jovanovic in zahlreichen Beiträgen zum Thema. Der Aktivist erinnert daran, dass in der Zeit des Nationalsozialismus Sinti und Roma zusammen mit der Häftlingsnummer ein „Z“ in die Haut tätowiert wurde, etwa 500.000 von ihnen wurden getötet - allein aufgrund ihrer Herkunft. Auch das „Z-Schnitzel“ löste noch vor Kurzem eine Debatte aus, wohingegen die meisten Menschen in Deutschland heute ganz selbstverständlich auf das „N-Wort“ verzichten.

Indigene Völker vs. „I-Wort“ - was ist der Unterschied?

Ohne Kategorisierungen und Verallgemeinerungen würde unser Denken nicht funktionieren. „Der notwendige und hilfreiche Instinkt der Verallgemeinerung kann jedoch auch unsere Weltsicht verzerren“, schreibt dazu der Wissenschaftler Hans Rosling in seinem Buch Factfulness. Dies könne uns zu der Annahme bringen, alles oder alle innerhalb einer Kategorie seien ähnlich. „Wenn viele Menschen eine problematische Verallgemeinerung erkennen, sprechen wir vom Stereotyp. Diese erfolge häufig auf Basis von Rasse und Geschlecht.

Das „I-Wort“ gilt als rassistisch, da sich Indigene Völker nie selbst so bezeichnet haben. Der Begriff ist eine Fremdbezeichnung, die den Indigenen etwa von europäischen Kolonialherren gegeben wurde - von eben jenen Menschen, die indigene Völker ausrotten wollten. In den meisten Staaten sind indigene Völker weitgehend vom politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ausgeschlossen und spüren bis heute historisch bedingte Diskriminierung, wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung feststellt.

Halbblut-Apanatschi-Darstellerin Uschi Glas stemmt sich gegen Vorwürfe

Ein Kritikpunkt zu dem jetzt zurückgezogenen Buch bezog sich den Berichten zufolge darauf, dass in der Geschichte rassistische Stereotype wiedergegeben würden. Der Karl-May-Experte Andreas Brenne hält das Winnetou-Buch indes für unbedenklich und kritisierte die Entscheidung des Verlags. „Ich halte es für nicht richtig, ein solches Buch nur aufgrund eines Shitstorms aus dem Verkehr zu ziehen“, sagte der Kunstpädagogikprofessor der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Schon in einer Vorbemerkung werde klargestellt, dass das Buch als fiktive Geschichte und nicht als sachgerechte Darstellung des Lebens indigener Völker zu verstehen sei. Brenne warnte davor, den Vorwurf der falschen kulturellen Aneignung unreflektiert zu generalisieren. „Schon das Verkleiden als gilt dann als rassistischer Akt“, erklärte Brenne, der in der Karl-May-Gesellschaft an Programmfragen mitarbeitet.

Die Schauspielerin Uschi Glas, ehemals als Halbblut Apanatschi in dem Original-Winnetou-Film aus den 60er-Jahren zu sehen, zeigte gegenüber der Bild-Zeitung ebenfalls kein Verständnis für die Entscheidung. „In den Filmen und den Romanen gibt es Gute und Böse. Sie haben weiße oder rote Haut. Es bildet das echte Leben ab. Man soll doch aufhören, hier auf Biegen und Brechen einen Anlass zu finden, über etwas zu schimpfen.“ (AFP/bme)

Hinweis: Nach Eingang einer Stellungnahme von ZDF zum Thema haben wir diese nachträglich im Text ergänzt.

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