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Verhindert Lauterbach die Auswertung der Corona-Maßnahmen? Expertenrat sauer - „große Respektlosigkeit“

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Von: Anna Lorenz

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Neuesten Meldungen nach soll Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dem Expertenrat, der die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung evaluiert, in seinem Schaffen einen deutlichen Dämpfer verpasst haben.

Berlin – „Das Bundesministerium für Gesundheit beauftragt eine externe Evaluation zu den Auswirkungen der Regelungen [...] im Rahmen der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie und zu der Frage einer Reformbedürftigkeit.“ So sieht es das Infektionsschutzgesetz hinsichtlich der Corona-Pandemie vor. Die Bewertung soll dabei „insbesondere auf Basis epidemiologischer und medizinischer Erkenntnisse die Wirksamkeit der [...] getroffenen Maßnahmen untersuchen“, „durch unabhängige Sachverständige erfolgen, die jeweils zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Deutschen Bundestag benannt werden“ und das gefundene Ergebnis „bis zum 30. Juni 2022 vorgelegt werden.“ Doch jüngste Entwicklungen deuten darauf hin, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dies zumindest zu erschweren sucht.

Evaluierung der Corona-Maßnahmen – Bremst Lauterbach den Expertenrat aus?

Bereits im März 2021 wurde der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vom Bundestag angewiesen, einen entsprechenden Expertenrat mit der Auswertung der Corona-Maßnahmen zu betrauen. Das interdisziplinäre Gremium, dem auch Virologe Christian Drosten angehört, tagt seitdem regelmäßig per vertraulicher Videoschalte und berät die Regelungen, die Bund und Länder im Umgang mit der Pandemie getroffen haben, aus wissenschaftlicher, medizinischer, juristischer und Verwaltungssicht.

Stunden nach der letzten Sitzung am vergangenen Freitag (22. April) versandte, wie Welt berichtet, der Vorsitzende des Gremiums, Stefan Huster, seines Zeichens Staatsrechtler an der Ruhr-Universität Bochum, nun jedoch eine brisante E-Mail an seine Ratskollegen. Darin heißt es, der Bundesgesundheitsminister habe Huster darüber benachrichtigt, dass „eine Verlängerung oder sogar eine neue Ausschreibung“ der Auswertung beschlossen worden sei. Der überraschende Schritt, so Huster, wäre deshalb erst so kurzfristig von Lauterbach angekündigt worden, da eine Bestätigung durch Bundestag und -rat noch ausstehe.

Kein Urteil über die Corona-Maßnahmen? Lauterbach mit mutmaßlichem Alleingang

Eine Nachfrage von Welt bei dem zuständigen Bundesministerium brachte wenige Erkenntnisse über die Hintergründe der Entscheidung, die Evaluation zu vertagen beziehungsweise ein neues Gremium für die Auswertung der Corona-Maßnahmen einzusetzen. „Richtig ist, dass Mitglieder der Kommission die Datengrundlage für noch nicht ausreichend halten, um die Wirkung der Corona-Maßnahmen zu bewerten und damit auch diesen Teil des Berichts abzuschließen“, teilte ein Sprecher mit.

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, besucht das Gesundheitsfest der Mülheimer SPD. Hier geht es u.a. um die Pandemie, den Pflege-Notstand, die Versorgung der Geflüchteten, die Finanzierung der Krankenversicherungen sowie die Modernisierung der Krankenhäuser. Der Minister sitzt in nachdenklicher Pose da.
Angst vor dem Urteil? Karl Lauterbach (SPD) soll die Auswertung der Coronamaßnahmen blockiert haben. © Roland Weihrauch picture alliance/dpa

Den Anschein, dass Lauterbach die Entscheidung jedoch ohne Rücksprache gefällt hat, erhärtet die Mitteilung des Ministeriumssprecher, „der Umgang mit dieser Problemlage [werde] derzeit mit dem Deutschen Bundestag abgestimmt“ allerdings immens. Aus den Reihen des Bundestages, der der angekündigten Änderung mehrheitlich zustimmen müsste, ist zu vernehmen, dass kein Grund für eine solche ersichtlich wäre. Es sei „intellektuell nicht mehr nachvollziehbar, dass Minister Lauterbach ständig vor einem gefährlichen Herbst warnt, dabei aber Erkenntnisse über die Wirkungsweise der von ihm favorisierten Maßnahmen, die erhebliche Grundrechtseinschränkungen mit sich brachten, offensiv zu verhindern trachtet“, fasst Wolfgang Kubicki (FDP) das Geschehen zusammen.

Auch das Gremium selbst soll deutlich pikiert reagiert haben: „Es zeugt von einer großen Respektlosigkeit, uns nach vielen Stunden Arbeit nun den Auftrag zur Evaluierung der Corona-Maßnahmen entziehen zu wollen.“ Der erste Alleingang Lauterbachs wäre es zumindest nicht; welche Motive den Bundesgesundheitsminister, der gegenwärtig bei Bevölkerung und Wissenschaft in zunehmender Kritik steht, zu diesem Schritt verleitet haben könnten, bleibt der Mutmaßung überlassen. Ein Trend zeichnet sich jedoch ab: Erst vergangene Woche wurde publik, dass auch das RKI zukünftig wohl weniger Unterstützung durch Lauterbach erhalten wird.

Nur wenige Tage später wird bekannt, dass sich Virologe Christian Drosten aus dem Gremium zurückziehen wird. (askl)

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