70 Prozent der wegen Corona eingelieferten Klinik-Patienten: Ein Jahr später immer noch Symptome

Spätfolgen treten vor allem nach schweren Corona-Verläufen auf. Weitere Risikofaktoren sind das Geschlecht und das Gewicht der Patienten, zeigt „eine der wichtigsten Arbeiten zu Long Covid“.
London - Eine britische Studie zu den Langzeitfolgen von Corona bringt neues Wissen über das Phänomen, an dem auch viele Deutsche leiden. Einiges hört man nicht zum ersten Mal, doch die Studie bringt durchaus auch neue Erkenntnisse.
Long Covid: Über 70 Prozent der hospitalisierten Corona-Fälle zeigt Langzeitfolgen
Die sogenannte Post-Hospitalisations-Covid-19-Studie aus England zeigt, dass über 70 Prozent aller hospitalisierten Corona-Fälle auch ein Jahr danach noch nicht vollständig genesen sind, sondern an Langzeitfolgen leiden. An der Studie hätten 2320 Personen im Alter von mindestens 18 Jahren teilgenommen, die mit COVID-19 aus dem Krankenhaus in ganz Großbritannien entlassen worden seien.
Long Covid werde von der World Health Organisation (WHO) als „Symptomatik bei Personen mit einer wahrscheinlichen oder bestätigten Corona-Infektion, in der Regel 3 Monate nach Ausbruch der Infektion mit Symptomen, die mindestens 2 Monate andauert, definiert. Teils wird noch zwischen Long-Covid-Symptomen (die einige Wochen nach der Infektion auftretenden Symptome) und Post Covid-Symptomen (alle ab 12 Wochen nach der Infektion auftretenden Symtome) unterschieden.
Es gebe bislang keine wirksamen Behandlungen für Long Covid, so die Studie. Man wollte durch ein verbessertes Verständnis der Krankheit einen Schritt weiterkommen in Richtung der Entwicklung therapeutischer Methoden und Medikamente.
Zu den häufigsten Symptomen nach einem Jahr gehören laut Studie:
- Fatigue (60 Prozent)
- Muskelschmerzen (54 Prozent)
- Schlechter Schlaf (52 Prozent)
- Atemnot (51 Prozent)
- Gelenkschmerzen und Schwellungen (47 Prozent)
- Verlangsamtes Denken (46 Prozent)
- Schmerzen (46 Prozent)
- Verlust des Kurzzeitgedächtnisses (44 Prozent)
- Gliederschwäche (41 Prozent)
Fatigue als wichtigstes Symptom identifizierte auch jüngst eine Studie der Universität Essen zu Long Covid. Einige Patienten litten nach einem Jahr noch an klinisch relevanten Angstsymptomen, Depressionen sowie posttraumatischen Belastungsstörungen. Außerdem belaste Corona oft das Immunsystem insgesamt enorm, sodass andere Erkrankungen stärker auftreten können.
Video: Studie zu Long Covid bei Kindern
Auf Basis ihrer Untersuchung stellte die Studie folgende Risikofaktoren für langanhaltendes Long-Covid fest: Ein schwerer Verlauf bzw. insbesondere eine invasive mechanische Beatmung während der Covid-19-Erkrankung stellt einen Risikofaktor da. Daneben sei aber auch mit höherer Wahrscheinlichkeit betroffen, wer weiblich sei. Außerdem stelle Übergewicht einen Risikofaktor dar.
Eine Folge von Long Covid: Erhöhte Entzündungswerte durch Konzentration bestimmter Proteine im Blut
Im Blutserum Corona-Patienten, die schwere Verläufe aufwiesen, zeigte sich eine erhöhte C-reaktive Proteinkonzentration (CRP). Das ist ein Eiweiß, das in der Leber als Reaktion auf Entzündungen produziert wird. Daher habe man - in unterschiedlichem Ausmaß - erhöhte Entzündungswerte bei allen Long-Covid-Patienten festgestellt.
Neben den erhöhten Entzündungswerten sei die hohe Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen ein Problem: Die Studie stellte bei den Teilnehmern erhöhte Werte des Proteins CD70 fest, das unter anderem an der Entstehung von Autoimmunerkrankungen beteiligt sei. Auch der Entzündungsmarker Interleukin-6 war vielfach erhöht. Dies deute auf eine mögliche Neuroinflammation hin, die zu den häufig auftretenden kognitiven Beeinträchtigung bei Post-Covid-Patienten beiträgt, heißt es in der Studie, da CD70 mit Entzündungen im zentralen Nervensystem in Verbindung gebracht werden könnten.
Deutsche Experten betonen die Wichtigkeit der Studie
Der Intensivmediziner und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, bezeichnete die Studie auf Twitter als eine der „wichtigsten Arbeiten zu Long-Covid“. Die erhöhten Entzündungsmarker könnten einen wichtigen Hinweis auf mögliche therapeutische Ansätze bieten, meint er.
Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält die Studie und generell die Forschung zu Long Covid für wichtig, wie er auf Twitter mitteilt. „Die Langzeitwirkungen von Covid werden unser Gesundheitssystem noch lange sehr viel Geld kosten. Die Forschung für Long-Covid muss dringend ausgebaut werden“, twitterte er als Reaktion auf die Studie.