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Abwasser-Studie deckt auf, wo in Deutschland am meisten Kokain konsumiert wird

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Von: Ulrike Hagen

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Der Kokainkonsum stieg in Europa nach der Pandemie an – 2022 auf ein neues Rekordhoch. In Deutschland hat eine Stadt die Nase ganz weit vorn, ergaben aktuelle Abwasseranalysen.

Berlin – Nach Corona ist vor dem Rausch: Die Ergebnisse der großen europaweiten Abwasseranalyse des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) zeigen, dass der Drogenkonsum nach der Pandemie weiter angestiegen ist. Das gilt für gesamt Europa und besonders für Kokain. In Deutschland ist Berlin mit großem Abstand der traurige Spitzenreiter in Sachen Koks-Konsum.

Kokain
Vom Zoll sichergestelltes Kokain auf der Spitze eines Taschenmessers. © Marcus Brandt/dpa/Symbolbild

Abwasser-Studie deckt auf, wo am meisten Kokain konsumiert wird

Im Rahmen des Projekts „Abwasseranalyse und Drogen – eine europäische städteübergreifende Studie“ wurde das Abwasser von 104 europäischen Städten, darunter beliebte Reiseziele aus 21 Ländern analysiert, um das Drogenkonsumverhalten der Einwohner zu untersuchen. Von Kopenhagen bis Valencia und von Nikosia bis Lissabon wurden im Rahmen der jüngsten Studie zwischen März und April 2022 über einen Zeitraum von einer Woche täglich Abwasserproben in den Einzugsgebieten von Kläranlagen analysiert. Die Abwasserproben von rund 54 Millionen Menschen wurden auf Rückstände von Kokain, Amphetamin, Methamphetamin, MDMA/Ecstasy und Ketamin sowie von Cannabis getestet.

Was ist Abwassermonitoring?

Das Abwassermonitoring ist eine Methode zur Untersuchung von Abwasserproben, um darin Spuren von Stoffen wie Drogen, Medikamenten, Pestiziden, Hormonen, aber auch Krankheitserreger, Stücke des Erbguts von Viren oder Chemikalien nachzuweisen.

Abwassermonitoring ist ein wichtiger Bestandteil der abwasserbasierten Epidemiologie und wird auch zur Früherkennung und Vorhersage von Ausbrüchen von Infektionskrankheiten wie COVID-19 eingesetzt.

Für das Monitoring werden Proben aus dem Abwassersystem von Städten oder bestimmten Einrichtungen (beispielsweise Krankenhäuser) gezogen und analysiert.

Die Methode wird angewendet, um das Konsumverhalten von bestimmten Substanzen in einer bestimmten Region oder Stadt zu ermitteln. Die Ergebnisse können dann für Maßnahmen im Bereich der Suchtprävention, Umweltschutz oder zur Verbesserung der Gesundheit genutzt werden.

Das Abwassermonitoring gilt als effektive Methode, um anonymisiert das Drogenkonsumverhalten der Bevölkerung zu ermitteln, da es auf breiter Basis und unabhängig von individuellen Angaben durchgeführt wird.

Abwassermonitoring zeigt: Berlin ist Deutschlands Drogenhochburg

Das Ergebnis: Berlin liegt im Vergleich zu allen anderen deutschen Städten bei fast allen Drogenarten vorn, und hat mit großem Abstand die höchsten im Abwasser gemessenen Kokainrückstände in ganz Deutschland.

Die Ergebnisse zeichnen das Bild eines weit verbreiteten und komplexen Drogenproblems.

Alexis Goosdeel, Direktor der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht

Laut der am Mittwoch veröffentlichten Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht kommen in Berlin umgerechnet auf 1000 Personen 541,34 Milligramm Kokain, 2018 waren es noch 343,08 mg. Die Zahlen geben einen Trend wieder, der von der EMCDDA seit Jahren beobachtet wird. Es zeigt sich ein genereller Anstieg des Kokainkonsums in ganz Europa in den letzten Jahren; die Rückstandskonzentrationen im Abwasser haben sich seit 2015 mehr als verdreifacht.

„Die heutigen Ergebnisse, die aus einer Rekordzahl von 104 Städten stammen, zeichnen das Bild eines weit verbreiteten und komplexen Drogenproblems, wobei alle sechs Substanzen an fast allen Orten nachgewiesen wurden“, resümiert der Direktor der EMCDDA, Alexis Goosdeel.

Kokain im Abwasser: Immer mehr Drogenabbauprodukte in deutschen Kläranlagen

Da der Konsum von Drogen in den meisten Ländern illegal ist, sind herkömmliche Methoden wie Umfragen oder Verkaufsstatistiken nicht verlässlich genug, um den Drogenkonsum in der Bevölkerung zu messen. Abwasseranalysen aber sind eine zuverlässioge Methode, den Drogenkonsum auf breiter Basis zu erfassen.

Wird beispielsweise Kokain konsumiert, baut der Körper die chemischen Verbindungen ab, was zur Ausscheidung von Abbauprodukten führt, darunter Benzoylecgonin. Diese Abbauprodukte landen in der Kanalisation und schließlich in Kläranlagen. Durch die Analyse von Abwasserproben können die Abbauprodukte im Labor nachgewiesen werden.

Koks-Konsum in Deutschland steigt weiter an: Analyse von Abwasser zeigt Trend

In Deutschland ist die Hauptstadt also trauriger Spitzenreiter in Sachen Kokainkonsum, mit einigem Abstand folgen Dortmund und München. Allerdings relativieren sich die Zahlen, sobald man über die deutschen Grenzen schaut: Die europäische Rangliste wird mit um ein Vielfaches höheren Werten von Städten in der Schweiz, Belgien, den Niederlanden und Spanien angeführt. An erster Stelle steht Antwerpen in Belgien mit 2381 mg, das fast 50 Prozent mehr Kokainrückstände aufweist als die zweitplatzierte Stadt Terragona in Spanien mit 16011 mg, gefolgt von Amsterdam (1142 mg), Brüssel (985 mg) und Zürich (931 mg).

Berlin belegt beim Kokainkonsum damit „nur“ den 16. Platz unter allen untersuchten Städten, auch wenn es die Rangliste der deutschen Städte mit großem Abstand vor Dortmund und München anführt. Auffällig: Die Rückstandkonzentrationen stiegen in allen Städten jeweils zum Wochenende an, und waren am Sonntag am höchsten.

Insgesamt nahmen zehn deutsche Städte an der seit 2011 jährlich durchgeführten Abwasserstudie teil: Berlin, Dortmund, München, Magdeburg, Saarbrücken, Dülmen, Erfurt, Nürnberg, Dresden und Chemnitz.

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