Polizeigewalt in den USA: Video von brutalem Übergriff auf Tyre Nichols veröffentlicht - Proteste in Memphis

Wieder stirbt ein Schwarzer in den USA nach einem brutalen Angriff von Polizisten. Mehrere Videos wurden nun veröffentlicht und sorgen für Entsetzen.
Update vom 1. Februar, 22:22 Uhr: Mit einer Trauerfeier in Memphis haben hunderte Menschen Abschied von dem von US-Polizisten zu Tode geprügelten Afroamerikaner Tyre Nichols genommen. Bei der Zeremonie in der Mississippi Boulevard Christian Church sprach Vizepräsidentin Kamala Harris den Angehörigen des 29-Jährigen am Mittwoch ihr Beileid aus. „Wir trauern mit Ihnen und die Menschen unseres Landes trauern mit Ihnen.“
Die erste schwarze Vizepräsidentin der US-Geschichte verurteilte die brutale Prügelattacke fünf afroamerikanischer Polizisten gegen Nichols als „Akt der Gewalt“ durch diejenigen, die eigentlich für Sicherheit sorgen müssten. Die Politikerin der Demokratischen Partei forderte außerdem den Kongress auf, eine Gesetzesreform gegen Polizeigewalt zu verabschieden, die nach dem 2020 bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis getöteten George Floyd benannt ist.
Präsident „Joe Biden wird es unterzeichnen und wir sollten es nicht verzögern“, sagte Harris. Der Gesetzentwurf scheitert schon seit langer Zeit im Kongress am Widerstand der konservativen Republikaner.
Tyre Nichols: Polizei veröffentlicht Videoaufnahmen
Update vom 28. Januar, 6.35 Uhr: Die Polizei hat Videoaufnahmen eines brutalen Einsatzes veröffentlicht, nach dem ein junger Mann an seinen Verletzungen gestorben ist. Der Vorfall hat in den USA für Empörung gesorgt. Präsident Biden mahnt die Bürger, ihre Proteste friedlich zu halten.
Die Polizei hat am Freitagabend mehrere Videos freigegeben, die den Vorfall aus verschiedenen Einstellungen zeigen. Darin ist zu sehen, wie Tyre Nichols zuerst von der Polizei in seinem Auto angehalten wird. Die Beamten ziehen ihn daraufhin aus dem Auto und drücken ihn zu Boden. Immer wieder brüllen ihn die Polizisten in den Aufnahmen sichtlich aufgebracht an, sich auf den Boden zu legen. Dabei liegt der Mann bereits am Boden.
Polizeigewalt in USA: Video von brutalem Übergriff veröffentlicht
Nichols erscheint in der Situation besonnen, sagt den Polizisten mehrmals, sie sollen aufhören. Er sei auf dem Weg nach Hause, hört man Nichols sagen und: „Ich habe nichts getan“. Schließlich gelingt es Nichols sich loszureißen und zu Fuß zu fliehen. Der Versuch eines Beamten, ihn mit einem Elektroschocker aufzuhalten, schlägt fehl. An einer Straßenkreuzung wird Nichols dann von Beamten gefasst.
Aus drei verschiedenen Perspektiven, aufgenommen von den Körperkameras der Beamten sowie von einer festinstallierten Kamera an einer Straßenlaterne, ist zu sehen, was sich dann abspielt. Mehrere Beamte halten Nichols fest, während ihn andere Polizisten mehrmals brutal mit Fäusten und einem Schlagstock schlagen. In einem Video sieht es so aus, als sprühe ihm ein Polizist etwas ins Gesicht. Nichols stöhnt und jammert. Mehrmals ruft er nach seiner Mutter.
Video zeigt Polizeigewalt in USA: Tyre Nichols gegen Kopf getreten
Eine andere Einstellung zeigt, wie zwei Polizisten Nichols‘ Oberkörper hochhalten, während ihm ein dritter Beamter gegen den Kopf tritt. Danach schleifen die Einsatzkräfte den schwer verletzten Nichols zu einem nahen Einsatzfahrzeug und lehnen seinen Oberkörper gegen die Seite des Wagens. Das Video löste in den USA Empörung aus. Demonstranten blockierten am Abend friedlich eine wichtige Autobahn, die durch Memphis führt. Viele hielten Schilder hoch, auf denen „Gerechtigkeit für Tyre“ geschrieben stand.
US-Präsident Joe Biden hat das Video ebenfalls gesehen und zeigte sich schockiert. Er habe mit Nichols‘ Familie telefoniert und ihnen sein Beileid ausgedrückt. Der Vorfall erinnere an die tiefe Angst, das Trauma, den Schmerz und die Erschöpfung, die viele schwarze Amerikaner und Amerikanerinnen jeden Tag verspürten, sagte Biden.
Brutale Tod von Tyre Nichols in Memphis: Proteste gegen Polizeigewalt in den USA befürchtet
Erstmeldung vom 27. Januar, 22.02 Uhr: Memphis / München - Ist erneut eine Welle der Gewalt wie nach dem Mord an George Floyd zu befürchten? Nach dem brutalen Tod des Schwarzen Tyre Nichols bei einer Verkehrskontrolle in der US-Stadt Memphis wächst in den USA die Angst vor gewaltsamen Protesten gegen Polizeigewalt. Fünf Polizisten wurden offiziellen Angaben zufolge nach der tödlichen Misshandlung von Nichols festgenommen und angeklagt. Sie sollen aber keine Weißen, sondern wie das Opfer Afroamerikaner sein. Eine Videoaufzeichnung der Vorgänge sollte am Freitagabend (Ortszeit) veröffentlicht werden. US-Präsident Joe Biden rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Der Demokrat forderte eine rasche Untersuchung.
Polizeigewalt in den USA: Polizisten für Tod von Tyre Nichols vor Gericht
Die fünf Beamten werden verdächtigt, den 29-jährigen Nichols vor knapp drei Wochen bei einer Verkehrskontrolle zu Tode geprügelt zu haben. Zur Last gelegt wird ihnen unter anderem Mord zweiten Grades, schwere Körperverletzung und Kidnapping. Mord zweiten Grades ist im Bundesstaat Tennessee, in dem Memphis liegt, eine Zwischenstufe zwischen Mord und Totschlag. Kidnapping bezieht sich in diesem Fall auf das illegale Festhalten eines Menschen.
Schon seit Tagen sorgt der Tod von Tyre Nichols sorgt unter den Amerikanern für Empörung. Der 29-Jährige war am Abend des 7. Januar wegen des Vorwurfs der gefährlichen Fahrweise mit seinem Auto gestoppt worden. Laut einer Mitteilung der Polizei kam es zu einer „Konfrontation“, und Nichols flüchtete zu Fuß. Als die Polizisten ihn nach einer Verfolgungsjagd stellten, soll es zu einer weiteren „Konfrontation“ gekommen sein. Weil Nichols dann über Atemschwierigkeiten geklagt habe, sei ein Rettungswagen gerufen worden.

Mutter nach Krankenhausbesuch: Polizisten haben Sohn „zu Brei geschlagen“
Zu diesem Zeitpunkt geschahen wohl die Angriffe: Der Schwarze wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht und starb dort drei Tage später. Eine von der Familie in Auftrag gegebene Autopsie kam zu dem Schluss, dass Nichols massive Blutungen infolge „starker Prügel“ erlitten hatte.
Nichols Mutter RowVaughn Wells sagte dem Fernsehsender CNN unter Tränen, die Polizisten hätten ihren Sohn „zu Brei geschlagen“. Sie fragte: „Wo war die Menschlichkeit?“ Weinend beschrieb sie den Zustand ihres Sohns im Krankenhaus: „Sein Kopf war geschwollen wie eine Wassermelone. Sein Hals war durch die Schwellungen zum Bersten gespannt. Sie haben ihm das Genick gebrochen.“
Die Polizeichefin von Memphis, Cerelyn Davis, äußerte sich in einem Online-Video entsetzt über den Tod des 29-Jährigen. Das Vorgehen der Polizisten sei „abscheulich“ und „unmenschlich“ gewesen. „Das ist nicht nur ein professionelles Versagen. Das ist ein Versagen grundlegender Menschlichkeit.“
Die Welt wartet gespannt auf die Beweise: Videoaufnahmen von dem Vorfall sollten aus Gründen der Transparenz am Freitagabend gegen 18.00 Uhr (Ortszeit, 01.00 Samstag MEZ) veröffentlicht werden. Der Leiter der Ermittlungsbehörden in Tennessee, David Rausch, sagte zu den Aufnahmen, diese seien „absolut entsetzlich“. Polizeichefin Davis vermutete, dass die Bilder die Menschen „schockieren“ würden. Die Behörden befürchteten, dass es zu gewaltsamen Protesten kommen könnte.
Polizeigewalt in den USA: Video zeigt „dreiminütige, ununterbrochene Prügelattacke auf diesen jungen Mann“
Präsident Biden erklärte zu dem Fall: „Während Amerika trauert, das Justizministerium seine Ermittlungen führt und die staatlichen Behörden ihre Arbeit fortsetzen, schließe ich mich dem Aufruf von Tyres Familie an, dass die Proteste friedlich sein müssen.“ Wut sei verständlich, aber Gewalt niemals akzeptabel, fügte er hinzu.
Die genauen Umstände der mutmaßlichen Tötung von Nichols waren noch unklar. Das Video wurde zunächst nur den Angehörigen und ihren Anwälten gezeigt. „Es handelt sich um eine dreiminütige, ununterbrochene Prügelattacke auf diesen jungen Mann“, sagte Antonio Romanucci, einer der Anwälte. Die Anklage gegen die Polizisten gebe ihnen „Hoffnung, während wir weiterhin Gerechtigkeit für Tyre fordern“, sagten die Anwälte.
In den USA sorgt tödliche Polizeigewalt gegen Schwarze immer wieder für Entsetzen und Empörung. Meist - wenn auch nicht bei Tyre Nichols - sind weiße Polizisten die Täter, wie im Fall des im Mai 2020 in Minneapolis bei einer Festnahme getöteten George Floyd. (cgsc mit dpa)