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Ötzi - Münchner Profiler diskutiert über Mordtheorie

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So in etwa soll Ötzi ausgesehen haben.
So in etwa soll Ötzi ausgesehen haben. © dpa

Bozen - Seit seinem Fund vor 25 Jahren gibt Ötzi Forscherin Rätsel auf. Nun wird der Fall wieder aktuell, denn einiges deutet darauf hin, dass Ötzi ermordet wurde.

Als Erika Simon (75) in den Ötztaler Alpen beinahe über eine in Schmelzwasser liegende Leiche stolpert, glaubt sie, einen erfrorenen Skitourengeher entdeckt zu haben. Sie und ihr Mann Helmut prägen sich den Fundort auf 3210 Metern ein und benachrichtigen den Wirt der nahe gelegenen Similaunhütte. Wenige Tage später erfährt das Paar aus Nürnberg: Sie haben eine Mumie gefunden. Die Geschichte vom Ötzi geht um die Welt.

Ihr Mann ist vor mehr als zehn Jahren gestorben. Nun ist die 75-Jährige als Zeitzeugin unterwegs. Sie erinnert sich genau an jenen 19. September 1991 und an die Aufregung, die der Fund ausgelöst hat. Damals gab es Medienanfragen aus aller Welt. "Wir haben das Telefon abgestellt."

Wissenschaftler betrachten Ötzi als Jahrhundertfund. Eine fast unversehrte, knapp 5300 Jahre alte Mumie - älter als Pharao Tutanchamun. Doch beinahe wäre die Leiche als namenloser Bergsteiger begraben worden.

"Übler Geruch und ledrig"

Anton Koler war einer der Ersten an der Fundstelle. Der

Ötzis Kleidung stammte von fünf Tierarten.
Ötzis Kleidung stammte von fünf Tierarten. © dpa

ehemalige Polizist sollte den Toten gemeinsam mit dem Hüttenwirt Markus Pirpamer bergen. Mit einem Pressluftmeißel versuchen sie ihn aus dem Eis zu befreien, stehen dabei teilweise selbst bis zu den Achseln im Schmelzwasser. Koler erinnert sich: "Er hat einen üblen Geruch verbreitet und war ledrig. Das war für mich der stärkste Eindruck."

Bei der Leiche liegt ein Pickel, der Koler spanisch vorkommt, wie er sagt. Daneben weiteres "Gerümpel". Den Pickel schätzt er damals auf 150 Jahre und nimmt ihn zur Wache mit. Wegen schlechten Wetters braucht es dann mehrere Versuche, um den Leichnam freizulegen.

Ernst Schöpf, Bürgermeister von Sölden, erinnert sich gut. Bei der Bergung wird die Leiche an der Hüfte verletzt und ihr gefrorener Arm gebrochen - sonst hätte der Tote nicht in den Sarg gepasst. Der Bestatter habe den Arm reingebogen und schnell den Deckel zugemacht, damit der Arm nicht wieder aus dem Sarg herausschnellt. 

Messner verhindert Begräbnis

Konnte ja keiner ahnen, dass man eine Jahrtausende alte Mumie vor sich hat. Dass die Mumie nicht begraben wurde, sei auch Bergsteiger Reinhold Messner zu verdanken, sagt Schöpf. Messner ist gerade im österreichisch-italienischen Grenzgebiet unterwegs und schaut sich den Gletschermann an. Seine spontane Einschätzung: Der stammt aus dem Mittelalter. Später werden Untersuchungen ergeben, dass Ötzi mehr als 5000 Jahre alt ist.

Erika Simon, so scheint es, hat ein wenig Mitleid mit dem Mann

Ötzis Waffen.
Ötzis Waffen. © dpa

aus dem Eis, dem im Bozener Archäologiemuseum eine sagenhafte Dauerausstellung gewidmet ist. "Ich muss öfter an ihn denken." Die Leiche habe damals am Gletscher ausgesehen wie die eines Kindes. Als ihr Mann ein Foto gemacht hat, sei sie entsetzt gewesen. Er könne doch keinen Toten fotografieren.

Zehn Jahre nach dem Fund steht fest: Ötzi ist ermordet worden, hinterrücks mit einem Pfeil niedergestreckt. Die Mumie wird zum Kriminalfall. Über den Mord diskutieren an diesem Dienstag Experten in Bozen (18 Uhr, EURAC-Research-Center). Unter ihnen der Münchner Profiler Alexander Horn. Der Kriminalhauptkommissar nimmt an, dass es aufgrund einer entsprechenden Verletzung höchstens drei Tage zuvor eine Messerattacke auf Ötzi im Tal gegeben haben könnte. Da der Täter unterlegen war, tötete dieser Ötzi aus dem Hinterhalt mit einer Fernwaffe. "Es war Mord aus Heimtücke", sagt Horn zum BR. Ötzi lebte noch kurz - dann atmete er zum letzten Mal. Und wurde im Laufe der Jahrtausende der Iceman, der Mann aus dem Eis.

Verwandte in ganz Europa

Mehr als 200 Generationen nach Ötzi sollen in Europa etwa

Ötzi-Nachfahre Simon Gerber.
Ötzi-Nachfahre Simon Gerber. © dpa

eine Million Menschen aus dessen väterlicher Erbgutlinie leben, also weitläufige Verwandte sein. Einer von ihnen ist Simon Gerber. Der Schweizer wollte Ahnenforschung betreiben und ließ sein Erbgut analysieren. Ein Ergebnis: Es gibt viele Übereinstimmungen mit der DNA von Ötzi. Eine: Gerber ist - wie Ötzi es war - laktoseintolerant.

Vor fünf Jahren sei es gelungen, das Genom der Mumie zu entschlüsseln, berichtete der Anthropologe Albert Zink. Ötzis mütterliche Linie finde sich in Europa nicht mehr, die väterliche schon. "Wir konnten auch zeigen, dass in abgelegenen Gegenden in Europa, in Sardinien und Korsika, mit einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit genau diese männliche Linie vorhanden ist", sagte Zink. Mit dem Begriff "Verwandtschaft" müsse man aus wissenschaftlicher Sicht aufpassen. Es sei eine sehr weit gefasste Verwandtschaft zu Ötzi. "Im Grunde sind wir alle mit ihm mehr oder weniger verwandt. Weil er ein früher Europäer war."

Ötzi im Portrait

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