In der Online-Diskussionsveranstaltung teilte Wieler auch gegen die Politik und die Maßnahmen der vergangenen Zeit aus: „Das ist eine klare Sprache, aber ich kann nach 21 Monaten es auch schlichtweg nicht mehr ertragen, dass es nicht vielleicht erkannt wird, was ich unter anderem sage und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen!“ So habe das RKI frühzeitig gewarnt, entsprechende Maßnahmen einzuführen. Der RKI-Chef kritisiert unter anderem die schnelle Öffnung vieler Bereiche, vor allem Clubs und Bars seien absolute Infektionstreiber. Wieler plädiert ebenfalls dafür, Großveranstaltungen abzusagen und Kontaktbeschränkungen als Maßnahmen in Betracht zu ziehen.
Und tatsächlich: die Corona-Zahlen steigen seit Wochen stark an. Auch am Donnerstag, 18. November, meldete das RKI einen absoluten Corona-Rekord-Wert. Mehr als 65.000 Menschen hatten sich nach offiziellen Angaben mit dem Coronavirus infiziert, die Zahlen seien laut Wieler jedoch deutlich höher als bekannt. „Die Untererfassung der wahren Zahlen verstärkt sich.“ Hinter den mehr als 50.000 Infektionen, die derzeit pro Tag registriert würden, „verbergen sich mindestens noch einmal doppelt oder dreimal so viele“, so der RKI-Chef.
In den vergangenen Wochen seien 0,8 Prozent der Erkrankten gestorben. Das bedeute, dass von den mehr als 50 000 Menschen pro Tag, bei denen derzeit eine Neuinfektion festgestellt werde, in den nächsten Wochen 400 sterben würden. Am Tod dieser Menschen sei nichts mehr zu ändern, niemand können ihnen noch helfen, selbst mit bester medizinischer Versorgung nicht. „Das Kind ist in den Brunnen gefallen“, zeigte sich Wieler am Mittwochabend besorgt.
Dass sich die Lage in den Kliniken Deutschlands zuspitze zeigt sich bereits seit Wochen. Wie Wieler betont, müsse mittlerweile auch für Schlaganfall-Patienten und andere Schwerkranke mancherorts bis zu zwei Stunden nach einem freien Intensivbett gesucht werden. „Die Versorgung ist bereits in allen Bundesländern nicht mehr der Regel entsprechend“, sagte der RKI-Chef. Und geht es nach Wieler, soll die dramatische Lage sogar noch zunehmen. „Sie sehen, die Prognosen sind super düster. Sie sind richtig düster“, sagte Wieler. „Es herrscht eine Notlage in unserem Land. Wer das nicht sieht, der macht einen sehr großen Fehler.“
CDU/CSU und das Kanzleramt von Angela Merkel legen nach den Pandemie-Plänen der „Ampel“ ihre eigene Corona-Beschlussvorlage vor. Und die hat es in sich.