Unheimliche Hütte von 1912 „in der Zeit eingefroren“ – Titanic-Zeitungsausschnitte noch auf dem Tisch

Ein verlassenes, jahrelang unberührtes Bauernhaus aus dem Jahr 1858 in Nordirland erweist sich als Zeitkapsel des ländlichen Lebens im 20. Jahrhundert.
Tyrone, Irland – Verlassene Häuser von morbidem Charme, auch Geisterhäuser oder Lost Places genannt, üben auf viele Menschen eine starke Anziehung aus. Die Suche nach den Lost Places kann zur Sucht werden. Wer einmal ihrer bezaubernden, gleichsam mysteriösen Ausstrahlung erlegen ist, will ständig neue verlassene Orte aufspüren und erkunden – wenn auch nicht immer auf legale Weise. Denn das unerlaubte Betreten von abgezäuntem Gelände gilt als Hausfriedensbruch.
Ein besonderes Juwel unter den Lost Places befand sich in Nordirland, in der Grafschaft Tyrone. Ein Bauernhaus, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Denn bis zuletzt waren die Räume so möbliert und dekoriert, wie ihr letzter Bewohner sie verlassen hat. Das ist gerade einmal sieben Jahre her.
Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 22.06.2021 veröffentlicht. Da er für unsere Leserinnen und Leser noch immer Relevanz besitzt, haben wir ihn erneut auf Facebook gepostet.
Das Haus befand sich im Besitz dreier Brüder. Der letzte von ihnen, Dessie, ist 2015 von dort in ein Pflegeheim gebracht worden, wo er zwei Jahre später verstarb, wie Mirror-Online berichtet. Seitdem die Brüder das Haus von ihren Eltern geerbt hatten, ließen sie alles unverändert, weshalb ein Besuch des Hauses einer Reise in die Vergangenheit, ins frühe 20. Jahrhundert, gleicht.
Sanierung unbezahlbar: Historisches Bauernhaus in Nordirland soll Neubau weichen
Es gibt Stapel von Zeitungen, die bis ins Jahr 1911 zurückreichen, stehengebliebene Uhren, eine halb gerauchte Pfeife und Dessies Schuhe, die nach seinem Auszug aus dem Haus neben dem Bett stehengeblieben sind. Sogar ungeöffnete Konservendosen aus der Jahrhundertwende stehen noch in der Küche.
Über allem liegt Staub und die Anmut des natürlichen Verfalls.* Hobbyfotografin Rebecca, die die Website „Abandoned NI“ betreibt und darauf ihre Fotografien von verlassenen Häusern präsentiert, wurde vom Besitzer des Gebäudes eingeladen, das einzigartige Flair des Hauses mit der Kamera für die Nachwelt einzufangen.
Rebecca erzählte dem Mirror, dass sie verblüfft war von dem, was sie vorfand: All die alten Bücher, Zeitschriften, Papiere und Fotos, die im Haus verstreut waren und unberührt blieben. Hunderte von handgeschriebenen Briefen, die Schubladen füllen, verrottende Bettwäsche, eine Bettpfanne auf dem Boden und eine Zeitung, die über den Untergang der Titanic* im Jahr 1912 berichtete. „Häuser wie dieses sind der Grund, warum ich es liebe, diese Gebäude zu fotografieren und zu dokumentieren“, sagt sie.
Trotz seines einzigartigen Ambientes wurde das Bauernhaus abgerissen. Der Eigentümer plant einen Neubau, den er selbst bewohnen möchte. Lost-Places-Expertin Rebbeca hat dafür Verständnis: „Sanierungen, um solche Häuser auf den heutigen Standard zu bringen, sind unbezahlbar.“
Als kleiner Trost für die Allgemeinheit organisierte Rebecca eine Ausstellung in Belfast, in der zwei perfekt nachgebaute Zimmer des Bauernhauses und zahlreiche der nostalgischen Gegenstände zu sehen sind. „Es gibt so viele Orte im ganzen Land, die einfach nur unberührt daliegen, und schon bald werden auch sie verschwunden sein, mit meinen Fotos halte ich die Erinnerung an sie lebendig.“ (Sven Barthel) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA