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Warum hat der Mensch keinen Pelz?

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Von: Bjarne Kommnick

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Fast alle Säugetiere tragen Fell. Der Mensch gehört zu jenen Arten, die es nicht tun. Aber wie ist es dazu überhaupt gekommen?

Kalifornien – Fast alle Säugetiere haben ein Fell. Nur ein paar wenige Ausnahmen wie Wale, Delfine, Nilpferde oder Walrosse bestätigen bekanntlich die Regel. Immerhin hat das Fell für die meisten Säugetiere eine überlebenswichtige Funktion. Doch auch der Mensch zählt zu den Arten von Wechselwarmen, die ihr Fell im Laufe der Zeit verloren haben. Wie ist es dazu gekommen, warum sind Menschen heute ohne Kleidung nackt?

Pelzlose Säugetiere: Wie hat der Mensch sein Fell verloren?

Genau genommen könnte man sogar davon sprechen, dass Menschen auch heute noch ein Fell hätten, wie Tina Lasisi, eine biologische Anthropologin an der University of Southern California, gegenüber BBC erklärt hatte. „Technisch gesehen haben wir Haare überall auf unserem Körper, es sind nur miniaturisierte Haarfollikel“, so die Forscherin, die sich auf die Wissenschaft von Haar und Haut spezialisiert hat. „Aber es ist bis zu dem Punkt miniaturisiert, an dem es uns funktionell nicht mehr isoliert.“

Evolution of Man Evolution
Im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte hat der Mensch sein Fell verloren. © IMAGO/Karen Humpage

Sprich, um in der Kälte nicht schnell erfrieren, braucht der Mensch – anders als die meisten anderen Säugetiere an Land – geeignete Kleidung. Ganz genau könne man, wie in Evolutionsfragen üblich, nicht sagen, warum der Mensch in seiner Entwicklung irgendwann das Fell verloren haben. Jedoch bieten Forscherinnen und Forscher plausible Theorien.

„Savannah“-Hypothese als gängigste Theorie, wieso der Mensch sein Fell verloren hat

Die am weitesten verbreitete Theorie dürfte demnach die sogenannte „Body-Cooling“-Hypothese sein, auch bekannt als „Savannah“-Hypothese. Die Theorie besagt, dass ein steigendes Bedürfnis früherer Menschen gewesen sei, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Dies könnte ein Auslöser für den Fellverlust gewesen sein.

Die Theorie beschreibt, dass Menschen im sogenannten Pleistozäns-Zeitalter, das 10.000 v. Chr. endete, hätte der Homo erectus, also ein mutmaßlicher Vorgänger des heutigen Menschen und des Neandertalers, vermehrt in der offenen Jagd hartnäckig gejagt und teils mehrere Stunden bis zur Erschöpfung um ihre Beute gearbeitet haben. Fell führe dazu, dass dabei eine höhere Gefahr für sie bestanden hätte, zu überhitzen.

„Vor 2 bis 1,5 Millionen Jahren“: Hat der Mensch sein Fell aufgrund der Ausdauerjagd verloren?

Wer weniger Fell hatte, kollabierte also seltener und brauchte weniger Pausen für eine erfolgreiche Ausdauerjagd und dürfte bessere Fortpflanzungschancen gehabt haben als seine Artgenossen mit mehr Fell. Somit wurden auch häufiger die Gene jener Jäger übertragen, die bessere Fortpflanzungschancen hatten, sodass sich das Gen durchsetzen konnte.

Und in der Tat gibt es auch Beweise für diese Theorie, unter anderem aus einer Studie, die Auslöser für einige Gene gefunden haben, die dafür verantwortlich seien. Sie würden bestimmen, ob sich Zellen zu Schweißdrüsen oder Haarfollikeln entwickeln. „Wenn wir das in Kombination mit einigen der Dinge betrachten, die wir über Gene ableiten können, die die Pigmentierung der menschlichen Haut erhöht haben, dann können wir im Grunde zuversichtlich vermuten, dass vor 2 bis 1,5 Millionen Jahren die Menschen wahrscheinlich ihre Körperbehaarung verloren haben“, so Laisi.

Forscher stellen „Savannah“-Theorie infrage

Eine verwandte Theorie aus den 80er Jahren besagt, dass der Wechsel zu einer aufrechten zweibeinigen Position die Vorteile von Fell für die Reflexion von Strahlung von unserem Körper verringern würde. Da Arten ohne Fell besser schwitzen könnten, sei kein Fell relativ vorteilhafter als Fell.

Doch Mark Pagel, Professor für Evolutionsbiologie an der University of Reading, erklärt, dass die Theorie in einigen Bereichen nicht aufgehen würde. „Wenn Sie unsere Körperwärme über einen Zeitraum von 24 Stunden untersuchen, verlieren wir nachts mehr Wärme, als wir möchten, und so besteht der Nettoeffekt des Fellverlusts darin, dass wir uns die ganze Zeit über in einer Art Energiedefizit befinden“.

Stechmücken als möglicher Grund für menschlichen Fellverlust

Zudem erkenne er, dass es viele Bevölkerungsgruppen gebe, die seit Zehntausenden Jahren keine Ausdauerjagd betrieben hätten. Lasisi erklärt jedoch, dass Hyperthermie – also eine abnormal hohe Körpertemperatur – wahrscheinlich ein weitaus größeres Problem gewesen wäre als Unterkühlung in Äquatorialafrika, wo sich die Menschen entwickelt haben. „Es scheint mir, dass es einen etwas stärkeren Druck gibt, nicht zu überhitzen, als unbedingt warm zu bleiben.“

Eine weitere Theorie von Mark Pagel und seinem Kollegen Walter Bodmer von der Universität Oxford, vermutet, dass Ektoparasiten der Grund für den Fellverlust sein könnten. Demnach hätten pelzlose Affen weniger unter Parasiten gelitten als jene mit Fell, was ein großer Vorteil sei.

„Enormes Problem in Form von Stechfliegen“: Forscher glauben bis heute an eigene Fell-Verlust-Theorie

„Wenn man sich weltweit umschaut, sind Ektoparasiten ein enormes Problem in Form von Stechfliegen, die Krankheiten übertragen“, so Pagel. „Und diese Fliegen sind alle darauf spezialisiert, auf Fell zu landen und darin zu leben und ihre Eier im Fell abzulegen. Parasiten sind wahrscheinlich eine der stärksten Selektionskräfte in unserer Evolutionsgeschichte und sind es immer noch.“ Pagel sagt, „wir haben keinen Anlass, diese Hypothese infrage zu stellen“, seit er und Bodmer sie zum ersten Mal aufgestellt hätten.

Lasisi sagt, dass sie die Möglichkeit anderer Faktoren, die zum Fellverlust beitragen, nicht ausschließen würde. Dennoch hat sie Skepis gegenüber der Ektoparasiten-Hypothese, „man muss sich wirklich fragen, warum sollte das bei Menschen passieren und nicht bei Schimpansen, nicht bei Bonobos, nicht bei Gorillas?“

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