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Wien zeigt, wie eine geschlechtsneutrale Stadt aussieht

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Von: Sven Barthel

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Eine Frau fährt auf einem Fahrrad durch eine Wasserinstallation am Schwarzenbergplatz.
Wien hat zahlreiche Orte im öffentlichen Raum geschaffen, die auf die Bedürfnisse aller Geschlechter Rücksicht nehmen. © Guo Chen/dpa

In der österreichischen Hauptstadt werden aktuell alle Aspekte des öffentlichen Lebens, einschließlich der Verkehrsmittel und der Sprache, von Wiens Ziel, eine inklusive und geschlechtsneutrale Destination zu sein, beeinflusst.

Wien - Nach einer geschlechtersensiblen Neugestaltung des Reumannplatz, einen der bekanntesten Plätze in Österreichs Hauptstadt Wien, reiht sich neben Workout-Stationen, einem Spielplatz und viel neuem Grün ein Außenpodest ein, das mit „Mädchenbühne“ beschriftet ist. Mädchen der nahe gelegenen Schule haben es sich als Auftrittsfläche gewünscht, als sie gefragt wurden, was die Stadt für sie tun kann.

Doch in Wien werden nicht nur die städtischen Räume geschlechtergerecht entwickelt, sondern alle Aspekte des öffentlichen Lebens, einschließlich der Verkehrsmittel und der Sprache. Sie alle unterliegen dem Ziel der Hauptstadt, eine inklusive und geschlechtsneutrale Destination zu sein. Zu diesem Zweck gönnt sich die Stadtverwaltung eine Abteilung mit dem Namen „Gender Mainstreaming“, deren oberste Priorität es ist, eine gesellschaftliche Gleichstellung aller Geschlechter zu erreichen.

Wien ist ein Paradebeispiel für gendergerechte Stadtgestaltung

Seit Jahren etabliere die Stadt in der Verwaltung sogenannte Gender-Experten, die sicherstellen sollen, dass alle Bereiche ihres Verwaltungsapparats geschlechtsspezifische Ungleichheiten berücksichtigen*, so die Leiterin des „Gender Mainstreaming“-Departments gegenüber bbc.com. Man betrachte das Ganze als Präventionsarbeit, damit es gar nicht erst zu Benachteiligungen kommt, die später nur mühsam, weil bürokratisch rückgängig gemacht werden müssen.

Gesammelte Daten, wer, wie, wo und wann Wiens öffentlichen Raum nutzt, bilden die Grundlage für all-gender-inklusive Handlungsableitungen. Lange Zeit fand Stadtgestaltung in Wien primär aus männlicher Perspektive statt. Was im Ergebnis viele Bolzplätze, aber zu wenige Toiletten in Parkanlagen bedeutete. Wiens jüngste Parkarchitektur berücksichtigt zum Beispiel das Sicherheitsbedürfnis weiblicher Besucher: Hauptwege sind nun möglichst gerade und gut ausgeleuchtet und Büsche stehen nicht mehr so dicht beieinander.

Tradition und Queere-Lebensart gehen in Wien Hand-in-Hand

Und auch die Namensgebung von Straßen und öffentlichen Plätzen wird in Wien weiblicher. Zumindest in der Seestadt Aspern, einem Stadtentwicklungsprojekt. Wiens Stadtentwickler sind zuversichtlich, dass das Gender-Mainstreaming-Konzept ihre Stadt in Umfragen bezüglich der Lebensqualität bis an die Spitze führen wird.

Es mag viele überraschen, das Wien, dessen Image weltweit eher als formell und traditionell aufgefasst wird, in Sachen Gleichstellung* anderen europäischen Metropolen so weit voraus ist. Doch Wien hatte immer wieder Zeiten sozialdemokratischer Regierungen, die sich für die Schaffung sozialer Gleichheit starkmachten und die LGBTQ-Community politisch unterstützten.

So war Wien ab 1992 der Veranstaltungsort für Europas größte und schillerndste Benefiz-Veranstaltung für HIV-infizierte und an AIDS erkrankte Menschen, dem Life Ball, der bis 2019 alljährlich im Wiener Rathaus und am Rathausplatz stattfand und international Beachtung fand.

Nicht zu vergessen die österreichische Kunstfigur Conchita Wurst, die 2014 beim 59. Eurovision Song Contest in Kopenhagen mit Langhaar-Perücke und echtem Vollbart siegte, weshalb der Gesangswettbewerb im darauffolgenden Jahr in Wien stattfand. Ein bedeutender Moment, ja sogar vielleicht ein Wendepunkt für die queere Community in der österreichischen Hauptstadt. Seitdem sind zumindest Schwule und Lesben fixer Bestandteil in Wiens Stadtmarketing.

Wien: Auch Transsexuelle sollen sichtbarer werden

Inzwischen bietet Wien seinen Besuchern eine QueerCityPass an, der Ermäßigungen bei allen Partnern des Projekts bietet: queer-freundliche Café, Bars, Geschäfte und Museen - und wie auch im Münchner Glockenbachviertel gibt es Wien gleichgeschlechtliche Pärchen auf Ampellichtern. Nachdem Schwule und Lesben in Wien heterosexuellen Menschen in fast allen Lebensbereichen gleichgestellt sind, bemüht sich die Stadt aktuell verstärkt um die Inklusion inter- und transsexueller Menschen*.

Erst vor kurzem hat Wien seinen ersten Transgender-Zebrastreifen eingeweiht, der nur einen Steinwurf vom Wiener Allgemeinen Krankenhaus entfernt liegt, das das einzige Transgender-Gesundheitszentrum des Landes beherbergt - ein Zeichen der Solidarität. Bleibt zu hoffen, dass noch viele weitere im Rest Europas folgen werden. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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