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Amazon vernichtet weiterhin Neuware – „Mindestens eine Lkw-Ladung pro Woche an einem Standort“

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Von: Thomas Schmidtutz

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Amazon-Lager: Der Internet-Riese vernichtet laut Greenpeace weiterhin im großen Umfang Retouren.
Amazon-Lager: Der Internet-Riese vernichtet laut Greenpeace weiterhin im großen Umfang Retouren. © Patrick Pleul/dpa

Der Bund wollte der Vernichtung von Retouren durch Versender eigentlich einen Riegel vorschieben. Doch zumindest bei Amazon geht das Schreddern nagelneuer Ware offenbar weiter. 

München - Der weltgrößte Online-Händler Amazon vernichtet laut Greenpeace auch weiterhin Neuware. Am niedersächsischen Standort Winsen würden an acht Arbeitsplätzen originalverpackte Produkte für die Vernichtung vorsortiert, berichtete Greenpeace am Donnerstag (20. Mai). Amazon betonte, dass die Zahl der Produkte, die entsorgt werden müssten, „im Promillebereich“ liege. (Verfolgen Sie unsere Wirtschaftsberichterstattung auf unserer LinkedIn-Unternehmensseite und diskutieren Sie mit.)

Nach Angaben von Greenpeace zeigen Filmaufnahmen eines Greenpeace-Rechercheurs, der mehrere Wochen als Angestellter im Amazon-Logistikzentrum in Winsen gearbeitet habe, dass der Versandhändler „allein an einem Standort jede Woche mindestens eine Lkw-Ladung nicht verkaufter Ware, von T-Shirts über Bücher bis hin zu fabrikneuen Elektroartikel“ entsorgt. Die Aufnahmen liefen am Donnerstag-Abend auch im ARD-Magazin „Panorama“.

Amazon: Greenpeace wirft Online-Händler ignoriert Obhutspflicht

Die Umweltorganisation kritisierte, die Zerstörung der Waren geschehe, obwohl im vergangenen Jahr ein Gesetz gegen diese Form von Ressourcenverschwendung in Kraft getreten war. Die sogenannte Obhutspflicht soll verhindern, dass intakte Ware zerstört wird. Doch bisher werde die Obhutspflicht weder umgesetzt noch von den Behörden überwacht. Der Konzern nutze aus, dass es bisher an einer Rechtsverordnung zur Obhutspflicht fehlt, weshalb keine Strafen verhängt werden.

Ein Amazon-Sprecher erklärte, das Unternehmen halte seine Obhutspflichten hinsichtlich der vertriebenen Waren ein. „Wir haben Maßnahmen implementiert, um die Warenvernichtung so weit wie möglich zu vermeiden“, sagte er. Amazon arbeite daran, „möglichst gar keine Produkte“ zu deponieren.

Waren vernichtet? Amazon verteidigt Vorgehen: „Allerletzte Option“

„Nur wenn wir keine andere Möglichkeit mehr haben, geben wir Artikel zum Recycling oder zur Energierückgewinnung - oder als allerletzte Option - zur Deponierung“, erläuterte der Sprecher. Dieser Weg sei allerdings „die letzte und am wenigsten attraktive Option - ökologisch und ökonomisch“. Tatsächlich liege „die Zahl der von Amazon verkauften und versandten Produkte, die entsorgt werden müssen, im Promillebereich“.

Zudem argumentiert das Unternehmen in einem Blogeintrag zu dem Thema, dass Sachspenden in Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen ein wichtiger Ansatz seien - hierbei gebe es allerdings eine Benachteiligung von Unternehmen. Denn das deutsche Steuerrecht verpflichte Unternehmen dazu, Umsatzsteuer auf den Wert aller gespendeten Waren zu entrichten - mit Ausnahme von verderblichen Lebensmitteln. Für Unternehmen in Deutschland sei es daher oft teurer, Waren zu spenden als sie zu entsorgen. Mit einer weiteren Protestaktion ärgerte die Umweltorganisation Europas größten Autobauer VW - Aktivisten entwendeten die Schlüssel von zahlreichen Neuwagen.

Greenspeace-Kritik: Amazon setzt nur auf „schnellen Umsatz“

Greenpeace-Konsumexpertin Viola Wohlgemuth kritisierte indes, Amazon setze „allein auf schnellen Umsatz und hält deshalb den Platz im Regal für wichtiger als das Produkt darin“. Dies sei eine „klimaschädliche Ressourcenverschwendung“. Wohlgemuth forderte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) zum Handeln auf. „Das Vernichten von Neuwaren muss noch in dieser Legislaturperiode strafbar werden.“

Greenpeace hatte schon Ende 2019 dokumentiert, welche Neuwaren in Winsen regelmäßig weggeworfen werden. Dies hatte dazu beigetragen, dass der Bundestag 2020 im Zuge einer Reform des Kreislaufwirtschaftsgesetzes neue Regeln für Händler einführte. Die Obhutspflicht schreibt laut Gesetzestext vor, „beim Vertrieb der Erzeugnisse, auch im Zusammenhang mit deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden“. (AFP/utz)

Interview auf Merkur.de: Wie gefährlich ist die steigende Inflation für die deutsche Wirtschaft, Herr Professor Felbermayr?

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