Amazon: Trotz Mega-Umsatz - Internet-Riese zahlt keinen Cent Steuern in der EU
Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Internet-Shopping noch mal beschleunigt. Amazon beschert der Boom astronomische Gewinne, doch in Europa zahlt der Konzern keine Steuern - im Gegenteil.
Seattle - 65 Prozent mehr Gewinn als erwartet: Ende April hat der Internet-Riese Amazon seine Quartalszahlen vorgelegt - und dabei zum vierten Mal in Folge die ohnehin riesigen Erwartungen pulverisiert. Im ersten Quartal meldete der Online-Gigant ein Umsatzplus von satten 44 Prozent auf 108,5 Milliarden Dollar. Operativ verdreifachte Amazon den Gewinn zum Jahresauftakt auf 8,9 Milliarden Dollar. Die Aktie schnellte daraufhin nach oben und markierte einen neuen Rekord.
Einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Gewinne erwirtschaftet Amazon in Europa. Die europäische Niederlassung setzte im vergangenen Jahr 44 Milliarden Euro um. Allein die Umsätze in Deutschland stiegen im ersten Corona-Jahr um rund 33 Prozent auf etwa 24,7 Milliarden Euro an – mehr Einnahmen generiert Amazon nur in den USA. Doch Körperschaftssteuer hat der Online-Riese trotz des Mega-Gewinns nicht gezahlt, wie die britische Zeitung The Guardian berichtet.
Trotz Mega-Umsatz schreibt Amazon in Europa offiziell Verlust – Steuerbefreiungen winken
Obwohl Amazon von der Corona-Pandemie profitiert wie wohl kaum ein zweites Unternehmen, verzeichnete die europäische Niederlassung mit Sitz in Luxemburg offiziell einen Verlust von 1,2 Mrd. Euro. Das macht die Körperschaftssteuer hinfällig. Mehr noch: Laut Lebensmittelzeitung seien der vermeintlich defizitären Amazon-Niederlassung 56 Millionen Euro an Steuergutschriften zugesprochen worden, die bei möglichen, künftigen Gewinnen steuermindernd gegengerechnet werden könnten.
Die britische Labour-Abgeordnete Margaret Hodge schlug deshalb im Guardian Alarm: „Amazons Einnahmen sind aufgrund der Pandemie in die Höhe geschnellt, während unsere Innenstädte zu kämpfen haben“, sagte sie. Amazon leite demnach seine Gewinne in Steueroasen wie Luxemburg um und vermeide so, seinen fairen Steueranteil zu zahlen.
Amazon: Internet-Händler zahlt wohl auf Jahre keine Steuern in der EU
Paul Monaghan, Geschäftsführer der britischen Fair Tax Foundation, bestätigt das: Amazons verbuche den Großteil seines Einkommens in Großbritannien und Deutschland, sagt er. Angesichts der enormen vorgetragenen Verluste würde das auch in den kommenden Jahren so bleiben, ist er sich sicher.
Bei Amazon sieht man das erwartungsgemäß anders, erklärt die Praxis für rechtens und verweist auf niedrige Gewinne aufgrund der hohen Investitionen und kleiner Margen im Online-Handel. „Wir haben seit 2010 mehr als 78 Milliarden Euro in Europa investiert, und ein Großteil dieser Investitionen fließt in die Infrastruktur, die viele Tausende neue Arbeitsplätze schafft“, zitiert die Lebensmittelzeitung einen Amazon-Sprecher.
Amazon ist kein Einzelfall: Auch Facebook, Google und Co. nutzen Schlupflöcher im System
Laut Fair Tax Foundation ist Amazons Steuerkonzept kein Einzelfall. Viele multinationale Unternehmen würden mithilfe komplexer Strukturen Schlupflöcher im System nutzen. Allein die sechs größten amerikanischen Tech-Unternehmen (Amazon, Facebook, Google, Netflix, Apple und Microsoft) hätten sich so in den vergangenen zehn Jahren mindestens hundert Milliarden Dollar „gespart“.
Auch in den USA steht Amazons Steuerpraxis derzeit in der Kritik. Erst vor wenigen Wochen hatte US-Präsident Joe Biden Amazon angegriffen: Viele der 500 weltweit größten Unternehmen, „inklusive Amazon“, würden keinen einzigen Cent Bundessteuer zahlen. Das sei „einfach falsch“. Daraufhin hatte sich Amazon-Chef Jeff Bezos für höhere Steuern auf Firmengewinne ausgesprochen.