Antiquitäten schätzen lassen: Expertin sagt, worauf Sie achten müssen

Wie lasse ich Antiquitäten schätzen? Und wie verkaufe ich sie am besten? Expertin Ingrid Petersen gibt eine Anleitung, wie man Antiquitäten schätzen lassen kann.
Die erfahrene Münchner Kunsthistorikerin Ingrid Petersen von Antikcheck kennt sich aus, wenn es um das Schätzen von Antiquitäten geht: Die Expertin hat vielen Kunden geholfen, den Wert von Erbstücken wie Kunstwerken und Möbeln genau zu bestimmen. Sie gibt ihren Kunden auch Verkaufstipps und Hinweise, ob vielleicht eine Restaurierung eine Wertsteigerung bedeuten könnte. Im Interview gibt Ingrid Petersen eine Anleitung, worauf Sie achten sollten, wenn sie Antiquitäten schätzen lassen.
Frau Petersen, was war der größte, unerkannte Schatz, den Sie bislang bei einem Kunden fanden?
Ingrid Petersen: Ein wirklich sensationeller Fund gelang mir mal an einem Kellertreppenabgang. Dort hing unter anderen ein sehr schlecht erhaltenes Gemälde, das ich eigentlich gar nicht schätzen sollte. Ich habe es genauer untersucht und den Kunden auf das Alter und die Qualität hingewiesen. Es stellte sich als ein Werk der italienischen Hochrenaissance heraus und ließ sich zu einem sechsstelligen Betrag verkaufen.
Bei einem anderen Kunden blinzelte mich schon ein kleines Kruzifix durch die Vitrine an. Mein Blick fiel sofort auf den ungewöhnlich virtuos geschnitzten Sockel, der mich sofort an Johann Benedikt Witz, einen bedeutenden Würzburger Holzschnitzer des 18. Jahrhunderts denken ließ. Das Kruzifix hat dem Besitzer einen fünfstelligen Betrag eingebracht.
Bei welchen Antiquitäten stehen Laien denn erfahrungsgemäß vor den größten Rätseln?
Ingrid Petersen: Am schwersten dürften wohl unsignierte Gemälde sein, dann vor allem Holzskulpturen, markenloses Porzellan oder Silber, um nur einige zu nennen. Wenn ein Gemälde nicht signiert ist, muss ein Laie das Gemälde zeitlich und qualitativ einordnen können, was ihm nur mit Erfahrung und geübtem Blick gelingen kann. Aber wie soll er einen Preis finden? Ist es dagegen signiert, ist es für ihn schon einfacher, da sich anhand von Preisdateien, die kostenpflichtig sind, Werte ermitteln lassen. Hat er den Künstler „X“ in der Preisdatei gefunden, weiß er dennoch nicht, ob sein Gemälde überhaupt ein Original, Fälschung oder Druck ist.
Das ist ganz schwierig bei Holzskulpturen, oder auch bei Möbeln, die überwiegend nicht signiert sind. Hier steht er vor der Frage, aus welchem Jahrhundert zum Beispiel die Barockkommode ist, aus dem 18. Jahrhundert oder ist es ein Möbel im Barockstil des 19. oder sogar 20. Jahrhunderts.
Antiquitäten schätzen lassen: Diese Anzeichen lassen auf einen hohen Wert schließen
Wenn ich Antiquitäten verkaufen möchte: Gibt es Anzeichen, die andeuten, ob die alten Stücke etwas wert sind?
Ingrid Petersen: Wenn Sie die Antiquitäten rein materiell bewerten, müssen Sie den Markt fragen und hier entscheidet allein Angebot und Nachfrage. In den Siebziger- bis Neunzigerjahren war das Interesse an Antiquitäten ungebrochen und in diesem Boom haben sich Antiquitäten aller Art und Qualität sehr gut verkauft. Das hat sich aber geändert. Seit Jahren schon sind die Preise der Antiquitäten zurückgegangen. Konnten Sie zum Beispiel einen Frankfurter Wellenschrank früher noch auf einer Auktion mit 50.000 Euro verkaufen, können Sie sich heute glücklich schätzen ihn noch mit 10.000 Euro anbieten und - wenn überhaupt - verkaufen zu können.
Das heißt Sie müssen immer den Markt im Auge behalten. Der entscheidet letztendlich über den Wert.
Kann man anhand von Firmennamen an antiken Möbeln und Porzellan schon einmal per Google nachforschen, ob es sich um einen Schatz oder um Sperrmüll handelt?
Ingrid Petersen: Das kann man durchaus, setzt aber voraus, dass man einen Stempel bei Möbeln beziehungsweise die Marke bei Porzellanen findet und zuordnen kann. Dann kann man über Google Vergleichsobjekte finden, dabei ist das dort vorzufindende Bildmaterial oft nützlich, um weiter zu recherchieren. Dennoch bleibt es für einen Laien schwierig festzustellen, aus welcher Zeit das Möbel ist, da sich alle Stile, wenn auch in veränderter Form, im neunzehnten Jahrhundert wiederholen. Bei Porzellan finden sich ebenso viele Formen und Dekore später wieder. Und die Frage „Original oder Fälschung?“ ist auch nicht beantwortet.
Antiquitäten schätzen lassen: Hier lohnt es sich, einen Experten zu beauftragen
Wann lohnt es sich, einen Experten für das Schätzen von Antiquitäten zu beauftragen?
Ingrid Petersen: Es lohnt sich in jedem Fall, wenn Sie sich mit der Materie nicht auskennen, da Sie vielleicht leichtfertig Objekte auf den Sperrmüll bringen, die doch noch einen Wert gehabt hätten. Es genügt manchmal auch schon ein geübter Blick eines Fachkundigen, um einen Irrtum auszuschließen.
Worauf sollte ich achten, wenn ich einen Kunstexperten suche?
Ingrid Petersen: Wenn Sie einen Experten für eine Bewertung von Antiquitäten suchen, sollte er in jedem Fall unabhängig sein, das heißt keine eigenen Ankaufabsichten haben, sonst werden Sie keine objektive Bewertung erhalten können. Darüber hinaus müsste er über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügen und eine langjährige Markterfahrung haben.
Wollen Sie wissen, ob zum Beispiel Ihr „Spitzweg“ original ist, dann müssen Sie sich an den Fachspezialisten wenden, denn nur dessen Urteil wird auch anerkannt. Für die Bewertung eines ganzen Nachlasses empfiehlt es sich einen Kunstexperten zu beauftragen, der sich allgemein mit Antiquitäten auskennt, denn oft kann Ihnen ein Gemäldeexperte wenig über Möbel erzählen oder umgekehrt. Wenn er ein lohnenswertes Objekt, zum Beispiel einen möglichen „Spitzweg“ ausmacht, wird er Ihnen den Fachexperten empfehlen und den Kontakt herstellen.
Mit welchen Stücken kann man aktuell auf dem Kunstmarkt beim Verkauf von Antiquitäten die höchsten Preise erzielen? Mit Gemälden, mit Möbeln, mit Schmuck oder mit Porzellan?
Ingrid Petersen: Generell bei allen Kategorien, aber was vor allem heute zählt, sind die hochwertigen, qualitativen Objekte von fast schon musealer Qualität. Und wenn die Provenienz stimmt, dann um so mehr, denken Sie nur an den Verkauf des berühmten „Blauen Diamanten“ aus der Wittelsbacher Königskrone, der für 18 Millionen Euro versteigert wurde. Und nur hier sind noch höchste Preise zu erzielen, während im mittleren Bereich, wie schon oben erwähnt, sich die Preise für Antiquitäten nach unten entwickelt haben. Leider muss man sagen, hat die moderne Kunst mit ihren exorbitanten Zuschlägen der letzten Jahrzehnte den Antiquitäten hier den Rang abgelaufen.
Antiquitäten schätzen lassen: Experten suchen bei Online-Auktionshäusern nach Schnäppchen
Wer den Wert seiner Ware nicht kennt, läuft vermutlich Gefahr, übervorteilt zu werden. Tummeln sich auf Ebay und anderen Portalen im Netz auch Antiquitätenjäger mit einem geschulten Auge?
Ingrid Petersen: Das ist richtig. Die Händler suchen schon seit Beginn diese Portale nach günstig zu erwerbender Ware ab und sind selbst dort mit Ware präsent, jedoch dürfte auch durch das nachlassende Preisgefüge in diesem Bereich das Interesse nachlassen.
Wenn ich antike Möbel verkaufen möchte: Wann lohnt sich eine Restaurierung der Antiquitäten? Und welche Kosten fallen da ungefähr an?
Eine Restaurierung der Antiquitäten lohnt sich immer, wenn man mit Antiquitäten leben will und sich daran erfreut. Es lohnt sich für einen Privatmann nicht immer, wenn man sie verkaufen möchte, da erfahrungsgemäß die Kosten einer Restaurierung durch einen Verkauf nicht gedeckt sind. Die Kosten variieren, je nach Zeit-und Arbeitsaufwand. Es ist natürlich ein großer Unterschied, ob Sie ein aufwendiges, intarsiertes Möbel restaurieren oder nur eine Politur auffrischen müssen. Sinnvoll wäre es, sich eine unabhängige Wertschätzung vor einer Restaurierung einzuholen und die Restaurierungskosten damit in Relation zu setzen.
Ist es sinnvoller beim Verkauf von Antiquitäten an einen Händler oder an ein Auktionshaus heranzutreten?
Ingrid Petersen: Beides ist möglich. Manchmal können Sie bei einem Händler, den Sie kennen, vielleicht weil Sie bei ihm schon gekauft haben, ein Objekt eintauschen oder auch einen besseren Preis bekommen, da er schon wieder einen neuen Kunden für ihr Objekt hat. In Auktionshäusern können Sie manchmal das Glück haben, dass ihr Objekt von wetteifernden Käufern in die Höhe getrieben wird und Sie einen unerwarteten Verkaufspreis erzielen können, der sich übrigens selten wiedererzielen lässt.
Interview: Franz Rohleder