Laut BAG-Urteil müssen die Betriebe ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ zur Arbeitszeiterfassung einführen. Was heißt das konkret?
Der Arbeitgeber muss ein System einführen, das sicherstellt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten tatsächlich erfassen kann und diese entsprechend dokumentiert werden.
Bislang mussten Unternehmen lediglich die Überstunden erfassen. Welche Daten müssen sie künftig konkret erheben?
Es müssen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Pausenzeiten erfasst werden, damit die Dauer der täglichen Arbeitszeit dokumentiert ist.
Ab wann müssen Unternehmen das Urteil umsetzen: Ab sofort?
Das Urteil sieht keine Übergangsfrist vor. Allerdings hat der Bundesarbeitsminister bereits angekündigt, das Arbeitszeitgesetz zu überarbeiten. Bis dahin sollten Unternehmen prüfen, ob es bereits ein System zur Arbeitszeiterfassung gibt, das den Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts genügt. Falls nicht, sollten Unternehmen ein Konzept für ein solches System unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Entwicklung erarbeiten.
Welche Mitsprache-Rechte hat der Betriebsrat bei der Umsetzung und Ausgestaltung?
Betriebsräte haben kein Initiativrecht bei der Frage, ob ein System zur Arbeitszeiterfassung eingeführt wird. Lediglich bei der Ausgestaltung eines solchen Systems können im Einzelfall Mitbestimmungsrechte bestehen.
Greift die Neuregelung auch für die Chefetage (Geschäftsführer/Vorstand)?
Nein. Geschäftsführer und Vorstände nehmen als Organe Arbeitgeberfunktionen wahr, sodass sich für diese grundsätzlich nichts ändert.
In Deutschland gilt in vielen Branchen und Betrieben das Prinzip der Vertrauensarbeitszeit. Das heißt: Der Arbeitgeber verzichtet auf eine Kontrolle der Arbeitszeit der Mitarbeiter. Ist das mit dem BAG-Urteil jetzt vorbei?
Vertrauensarbeitszeit ist weiterhin möglich. Jedenfalls dann, wenn Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer frei über die Lage seiner Arbeitszeit entscheiden kann.
Müssen mögliche Überstunden künftig ausgezahlt werden oder kann Mehrarbeit auch weiterhin abgefeiert werden?
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es oftmals zulässig zu vereinbaren, dass Überstunden bereits mit dem Gehalt abgegolten sind. Daran ändert sich nichts. Ob im Einzelfall Überstunden zu vergüten oder abzufeiern sind, richtet sich nach den bestehenden Vereinbarungen. Jedenfalls sind nur solche Überstunden erfasst, die auf Anordnung des Vorgesetzten geleistet wurden.
Wer kontrolliert die Arbeitszeiterfassung?
Die Kontrolle erfolgt durch die im jeweiligen Bundesland zuständige Behörde. Das sind überwiegend die Arbeitsschutzbehörden.
Welche Strafen drohen bei Verstößen?
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wird nicht sanktioniert. Erst wenn die Arbeitsschutzbehörde die Dokumentation der erfassten Arbeitszeiten anfordert oder die Einführung eines Zeiterfassungssystems anordnet und das Unternehmen dieser Aufforderung nicht nachkommt, kann ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro festgesetzt werden.