Jobcenter-Mitarbeiterin rechnet mit Bürgergeld ab: Vollzeitjob lohnt sich nicht mehr
Das Bürgergeld steht bereits vor seinem Start in der Kritik. Eine Jobcenter-Mitarbeiterin bemängelt, dass ein Mindestlohn-Job sich im Vergleich zur Hartz-IV-Nachfolge nicht mehr lohnen würde.
Berlin – Zum ersten Januar 2023 soll das Bürgergeld an den Start gehen und das bisherige Hartz-IV-System ablösen. Das hat das Bundesarbeitsministerium unter Minister Hubertus Heil (SPD) so geplant. Doch bei der reformierten Sozialhilfe gibt es noch einige Kritikpunkte. Beispielsweise hatte die Bundesagentur für Arbeit schon früh kritisiert, dass eine Umstellung in so kurzer Zeit kaum umsetzbar sei.
Hartz IV: Jobcenter sind Bürgergeld-Ansturm nicht gewachsen
Das beklagt auch eine Jobcenter-Mitarbeiterin, die jedoch aus Angst vor Konsequenzen anonym bleiben möchte. Sie erklärt gegenüber Focus.de, dass die Mitarbeiter für das Bürgergeld noch nicht geschult worden seien. Sie rechnet mit einem großen Ansturm bei den Jobcentern, da auch der Regelsatz mit dem Bürgergeld auf 502 Euro erhöht wird. „Ich gehe davon aus, dass die Hälfte der Bewohner unserer Stadt im Januar einen Leistungsantrag stellen wird“, sagt sie. Diesem Ansturm seien die Mitarbeiter jedoch nicht gewachsen.
Für viele Arbeitnehmer würde sich der Job einfach nicht mehr lohnen. Die steigenden Energiepreise setzen besonders Geringverdienern zu – da würde auch die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro nicht helfen, findet die Jobcenter-Mitarbeiterin. Beim Bürgergeld hingegen werden die Miet- und Heizkosten übernommen. Auch für die Angemessenheit des Wohnraums und das Vermögen gibt es dann eine großzügigere Schonfrist als im Hartz-IV-System.
Bürgergeld: Jobcenter-Mitarbeiterin findet Hartz-IV-Nachfolge unfair
Die Jobcenter Mitarbeiterin findet das unfair: „Wir versuchen, als arbeitende Bevölkerung jeden Cent umzudrehen und fragen uns, ob wir unseren Kindern die nächste Klassenfahrt ermöglichen können“, ärgert sie sich im Gespräch mit Focus.de. „Das kann doch nicht sein.“ Sie ist gegen die Einführung des Bürgergelds. Laut ihrer Rechnung bleibt bei einem Minijob inklusive Bürgergeld zum Aufstocken mehr Geld, als mit einem regulären Vollzeitjob mit Mindestlohn.
Arbeitsminister Heil sieht das jedoch anders. Erst Mitte September betonte er: „Wir müssen dafür sorgen, dass Arbeit sich lohnt.“ Er verwies auf die Anhebung des Mindestlohns, die Senkung von Sozialbeiträgen für Geringverdiener und die Ausweitung der Leistungen beim Wohngeld. Laut ihm mache es auch mit dem Bürgergeld noch einen Unterschied, ob jemand Sozialleistungen bezieht oder arbeitet.
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„Einige meiner Kunden wollen trotzdem arbeiten, finden jedoch nichts“, macht die Frau gegenüber dem Nachrichtenportal deutlich. Doch dabei würde es sich nur um etwa jeden Zehnten handeln. „Alle anderen, die arbeiten könnten, beziehen lieber Grundsicherung.“ (ph)