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„3D-Powerpoint-Projekt“: Chef des Münchner Panzerbauers Krauss-Maffei hält nichts von Rheinmetall-Panzer KF 51

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Von: Thomas Schmidtutz

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Wartet auf die Zeitenwende: Ralf Ketzel, Chef des Münchner Leopard-2-Bauers Krauss-Maffei Wegmann.
Wartet auf die Zeitenwende: Ralf Ketzel, Chef des Münchner Leopard-2-Bauers Krauss-Maffei Wegmann. © Marcus Schlaf

Die Zeitenwende in der deutschen Verteidigungspolitik lässt weiter auf sich warten. „Aufträge haben wir bislang nicht“, sagt der Chef des Münchner Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann, Ralf Ketzel.

München - Der Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hat einen deutlichen Personalaufbau für sein Stammwerk in Aussicht gestellt. Dies setze aber voraus, dass die umstrittene Panzer-Teststrecke auf dem Werksgelände in München-Allach erhalten bleibe, machte Konzernchef Ralf Ketzel im Interview mit Merkur.de deutlich.

Mit Blick auf die geplante Entwicklung des Nachfolgers des Leopard 2 ging Ketzel mit seinem langjährigen Partner Rheinmetall hart ins Gericht. Wer Mitglied in einem Konsortium zur Entwicklung des künftigen europäischen Kampfpanzers sei und mit dem KF51 „im Alleingang“ nun auch noch einen eigenen Kampfpanzer entwickle, könne kein Partner mehr in diesem Konsortium sein, sagte Ketzel.

Herr Ketzel, Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Februar angesichts des Ukraine-Kriegs die Zeitenwende ausgerufen und ein 100-Milliarden-Paket zur General-Sanierung der Bundeswehr angekündigt. Im Juni haben Bundestag und Bundesrat dafür grünes Licht gegeben. Ist die Zeitenwende inzwischen bei Ihnen angekommen?

Wir haben seither diverse Gespräche zu Programmen geführt. Konkrete Aufträge, die man der Zeitenwende zuordnen könnte, haben wir bislang nicht.

Der Bundeskanzler hat in seiner Zeitenwende-Rede auch zugesagt, dass der Verteidigungsetat auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung steigen soll, so wie es auch innerhalb der Nato vereinbart ist. Für 2023 sinkt der reguläre Etat des Bundesverteidigungsministeriums aber wieder auf 1,6 Prozent. Wie frustriert sind Sie?

Ich bin nicht frustriert. Aber es ist kein gutes Signal an die Bundeswehr und unsere Verbündeten.

Bei der Beschaffung sind für das kommende Jahr im Etat insgesamt 10,6 Milliarden Euro vorgesehen. Dazu kommen weitere 8,4 Milliarden aus dem Sondervermögen. Macht zusammen 19 Milliarden Euro. Was ist für Sie drin?

Offen gestanden sind wir da enttäuscht. Natürlich ist im Haushalt auch unser Schützenpanzer Puma berücksichtigt, allerdings nur mit 50 Einheiten. Eigentlich waren bei den ursprünglichen Planungen für dieses System mehrere 100 Einheiten die Ziel-Vorgabe. Aber wir gehen fest davon aus, dass die avisierten Bestellungen dann in den kommenden Jahren kommen.

Kritiker halten das sogenannte Sondervermögen ohnehin für Augenwischerei, weil Inflation, Steuern oder Zinszahlungen noch abgehen. Das tatsächliche Volumen liege daher eher bei 65 Milliarden Euro. Teilen Sie diese Rechnung?

Von dieser Größenordnung gehen wir auch aus.

Wird die Bundeswehr damit ihre Schlagkraft überhaupt verbessern können?

Das Sondervermögen braucht die Bundeswehr vor allem für dringende, strategische Anschaffungen. Da geht es um Themen wie Digitalisierung, nukleare Teilhabe oder neue Hubschrauber. Um die Bundeswehr moderner zu machen, benötigen wir aber die zwei Prozent, die wir der Nato zugesagt haben. Nur so schaffen wir die Grundlage, um eine kontinuierliche Beschaffung sicherzustellen und Preissteigerungen und Inflation auszugleichen. Mit den Milliarden aus dem Sondervermögen wird dieses Problem jedenfalls nicht gelöst.

Die Vorarbeiten für den geplanten deutsch-französischen Kampfjet der nächsten Generation haben gerade die nächste Stufe genommen. Beim zweiten geplanten europäischen Großprojekt, dem Kampfpanzer (MGCS), sind Sie mit ihrem französischen Holding-Partner Nexter und Rheinmetall im Boot. Aber da geht es nur sehr schleppend voran. Wo hakt‘s?

Beide Programme sind miteinander gekoppelt. Das hat das MGCS gebremst. Der Anspruch bei diesem Projekt ist nicht, nur einen neuen Panzer zu bauen. Das können wir schneller. Es geht um eine völlig neue Technologie, um Vernetzung, den Einsatz von Drohnen und von Systemen die man mit und ohne Besatzung betreiben kann.

Bei den beiden großen europäischen Rüstungsprojekten wollen sich Frankreich und Deutschland die industrielle Führung eigentlich teilen. Beim Next-Gen-Jet soll Frankreich in den Lead, beim Panzerprojekt KMW. Haben Sie die Führung?

Wir haben bei diesem Projekt in Frankreich mit Nexter einen Partner und auf deutscher Seite mit Rheinmetall und KMW zwei Unternehmen. Das führt zu einer stark erhöhten Komplexität und schwächt die Führung. Denn auf der einen Seite gibt es eine klare Position, auf der anderen Seite Diskussionen.

Die gewählte Führungsstruktur für den MGCS ist also nicht wirklich glücklich?

KMW ist seit Jahrzehnten das führende europäische Systemhaus für schwere Panzer wie den Leopard 1 und den Leopard 2 und die Artillerie. Dennoch wurde in Deutschland die Entscheidung getroffen, Rheinmetall zusätzlich ins Boot zu holen. In Frankreich ist Nexter dagegen der einzige Partner, der die französische Armee in allen Aspekten unterstützt. Bei einem deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekt wäre die natürliche Brücke Nexter und KMW gewesen. Die Beteiligung von Rheinmetall erschließt sich mir daher nicht.

Leichter wird es bei dem Projekt auch künftig nicht – eher im Gegenteil. Auf dem Panzermarkt macht Ihnen jetzt ausgerechnet Ihr Partner Rheinmetall Konkurrenz. Die Düsseldorfer haben im Juni den Kampfpanzer KF 51 Panther präsentiert. Wie sehen Sie das?

Wir sehen das sehr kritisch. Rheinmetall geht in einem Feld an den Start, wo wir eigentlich eine deutsch-französische Kooperation geplant haben. Die Idee war, dass die nächste Generation schwerer Gefechtssysteme künftig aus Deutschland und Frankreich kommt. Jetzt tritt einer der drei Partner mit einer eigenen Lösung an. Wirtschaftlich mag das durchaus nachvollziehbar sein. Aber wenn man die Partnerschaft in einem Konsortium so verletzt – und das auch noch vor der Haustür eines Partners - kann man kein Partner mehr in diesem Konsortium sein. Davon abgesehen: Der KF 51 ist im Kern ein um eine 130 Millimeter Kanone gebautes, konventionelles Panzerkonzept mit einer Leopard 2 Wanne. Das ist nichts Neues.

Wie erklären Sie sich, dass Rheinmetall so dazwischen grätscht?

Das haben wir bereits beim Puma erlebt. Als das Konzept international marktfähig war, tauchte der Lynx auf. Das macht die Kooperationsfähigkeit auf der nationalen Ebene schwierig. Wir hatten lange den Plan, dass Boxer und Puma von beiden Häusern gemeinsam vermarktet werden können. Dann hat Rheinmetall den Alleingang gewählt.

Klingt so, als sei ihr Verhältnis mit Rheinmetall nun etwas vergiftet?

Beim MGCS sehen wir das in der Tat sehr kritisch. Das Projekt ist politisch sensibel. In Deutschland hat es bei den schweren Kampfsystemen über Jahrzehnte eine klare Rollenverteilung gegeben, denken Sie an den Leopard oder die Panzerhaubitzen. Dass Rheinmetall nun so vorprescht, empfinden wir gelinde gesagt als sehr unglücklich.

Der KF 51 ist eher ein 3D-Powerpoint-Projekt.“ 

KMW-Chef Ralf Ketzel über den im Sommer vorgestellten Kampfpanzer Panther von Rheinmetall.

KF51 ist aber mit 51 Tonnen deutlich leichter als der Leo 2 und schwerer bewaffnet und mit Stückpreis von 15 Mio. Euro auch noch deutlich günstiger als der Leo 2 mit einem Stückpreis 19 Millionen. Der Heeresinspekteur hat die Gewichtsvorteile des KF 51 bereits öffentlich gelobt.

Der Leopard ist und bleibt auch auf absehbare Zeit weiter State-of-the-art. Wir gehen davon aus, dass der Leopard für viele Armeen auch für die kommenden Jahrzehnte das Rückgrat der Landstreitkräfte bleiben wird. Der KF 51 ist dagegen eher ein 3D-Powerpoint-Projekt. Weder für Gewicht noch Preis gibt es eine belastbare Grundlage. Die entscheidende Frage wird am Ende sein: Wollen wir die funktionierende Zusammenarbeit zwischen den 14 europäischen Nationen, in denen der Leopard im Einsatz ist, aufgeben zugunsten eines neuen Fahrzeugs, das den geplanten Quantensprung gar nicht bietet?  

Aber die Vision eines europaweit einheitlichen Nachfolger für den Leopard 2 wackelt doch schon jetzt?

Es stimmt: Polen hat sich gerade für den südkoreanischen Kampfpanzer K2 entschieden. In Norwegen läuft die Auswahl noch. Wir hoffen, dass die Norweger nicht den gleichen Fehler machen. Aber wenn wir in Europa bei zentralen Rüstungsthemen jetzt wieder diversifizieren, dürfen wir uns nicht wundern, wenn Korea, Australien oder die USA diese Themen künftig dominieren und wir uns keine europäische Industrie auf diesem Feld mehr leisten können. Dann haben wir eine ähnliche Situation, wie bei Kampfjets, wo der F35 weiter an Boden gewinnt.

Wenn Europa es mit der Idee ernst meint, sich von den USA zu emanzipieren, können wir uns solche Alleingänge nicht leisten?

Richtig. Wir brauchen ein einheitliches Konzept zur Modernisierung der europäischen Panzerflotte. Das ist bislang gut gelaufen, weil wir hier einen Standard-Panzer haben. Aber jetzt müssen wir die Brücke zum MGCS bauen. Ein Panzer wie der KF51 passt hier nicht rein.

Nun ist Rheinmetall sehr expansiv. Vor wenigen Tagen hat das Unternehmen den spanischen Munitionshersteller Expal Systems übernommen. Die Depots sind europaweit weitgehend leer. Munition gilt in der Branche daher als großer Wachstumsmarkt. Müssen Sie sich hier nicht auch verstärken?

Unser Partner Nexter stellt auch Munition her, sowohl für Panzer als auch für Haubitzen. Wenn wir an die Entwicklung in Europa denken, wird die Kooperation künftig relevanter. Es gab ja in der Vergangenheit auch eine Kooperation zwischen Nexter und Rheinmetall. Allerdings hat sich daraus kein einheitlicher Standard entwickelt, sondern eher nationale Linien in Deutschland oder Frankreich. Die große Herausforderung wäre hier eine weitere Vereinheitlichung bei Munition zwischen Deutschland und Frankreich zu erreichen – sowohl bei Panzern als auch bei Artillerie, idealerweise auch innerhalb der Nato.  

Die Konsolidierung im Verteidigungssektor schreitet weiter voran. Beobachter spekulieren seit vielen Jahren über eine mögliche Fusion zwischen Rheinmetall und KMW. Rheinmetall-Chef Pappberger sähe Sie als Juniorpartner. Wie sinnvoll wäre eine solche Fusion?

Rheinmetall sieht sich global. KNDS und KMW bedienen Europa. Eine Kombination aus KMW und Rheinmetall wäre daher eher eine nationale Konsolidierung und keine Antwort auf die Frage ist Rüstung global, national oder europäisch.

Also ginge es eher eine Konsolidierung über Landesgrenzen hinweg?

Eine Konsolidierung macht nur Sinn, wenn wir Internationalität schaffen und die Brücken über die großen Grenzen bauen. Denken Sie an Airbus. Die Frage ist aber: Wird das politisch honoriert? Bislang ist die Bereitschaft, mehr in europäische Partnerschaften als in nationale Lösungen zu investieren, nicht allzu deutlich ausgeprägt. Das heißt aber für die Franzosen, so unangenehm das auch ist: Deutschland ist mit KMW und dem Leopard 2 bei Panzertechnik die führende Nation in Europa.

Aber die Eigentümer-Struktur bei KNDS um Nexter und KMW einerseits und Rheinmetall auf der anderen Seite macht die Aufgabe nicht gerade einfacher?

Richtig. Die KNDS gehört einerseits dem französischen Staat und ist andererseits in deutschem Familienbesitz. Rheinmetall ist eine quartalsorientierte Aktiengesellschaft. Da eine gemeinsame Eigentümer-Struktur zu finden, ist eine ziemliche Herausforderung.

KMW-Chef Ketzel: Verbot der Teststrecke hätte weitreichende Auswirkungen

Ralf Ketzel: Der KMW-Chef will in München weiter Personal aufbauen.
Ralf Ketzel: Der KMW-Chef sieht den weiteren Betrieb der Panzer-Teststrecke als einen zentralen Baustein für die Zukunft des Stammwerks in München. © Marcus Schlaf

Schauen wir noch mal auf ein eher lokales Thema: Sie haben aktuell großen Ärger mit Ihrer Panzer-Teststrecke am Werk in München Allach. Anwohner haben Klage eingereicht. Nach Ihrer Darstellung ist seit 1964 bestehende Teststrecke illegal errichtet worden. Auch einen Bestandsschutz bestreiten die Kläger. Das Umweltamt der Stadt München sieht das ähnlich. Jetzt ist die Sache vor dem Verwaltungsgericht in München. Wie sehen Sie die Aussichten, dass die Bürgerinitiative mit Ihrer Klage durchkommt?

Wir haben unlängst alle Unterlagen für eine Baugenehmigung bei der Stadt München eingereicht. Damit sind aus unserer Sicht alle formalen Aspekte, die die Bürgerinitiative bemängelt hat, ausgeräumt. Im August hat die Stadt bestätigt, dass die Unterlagen vollständig vorliegen. Ich gehe davon aus, dass wir die entsprechende Genehmigung erhalten.

Bis wann?

Wir hoffen auf das kommende Frühjahr. Es steht aber jedem frei, den Rechtsweg zu beschreiten. Daher ist das nur ein sehr grober Zeitplan. Für uns ist aber wichtig, dass wir mit der Teststrecke in Allach eine Schlüsselkompetenz haben, die wir nicht in Frage stellen sollten.

Und wenn die Teststrecke doch noch verboten wird?

Hätte das weitreichende Auswirkungen.

Nämlich?

Kurzfristig könnten wir dann bestehende Liefer-Verpflichtungen beim Leopard 2 oder dem Puma nicht mehr einhalten. Die Bundeswehr erhielte diese Fahrzeuge dann zunächst nur mit Verzögerung. Mittelfristig ginge es zudem um die Frage, wie wir unsere Kompetenz hier halten können. Wir können Montagwerker nicht mal eben so verschieben. Das sind Spezialisten hier am Standort in München. Die werden nicht umziehen. Bei den Entwicklern und Ingenieuren hätten wir ebenfalls erheblich weniger Bedarf. Diese Stellen könnten wir damit wohl ebenfalls dauerhaft kaum halten. Damit würde die Bedeutung des Standortes rapide sinken. Unterm Strich ginge es um rund 500 Stellen. Das wäre fast ein Drittel der Belegschaft hier am Standort. Damit verbunden wäre zudem die grundsätzliche Frage um die Zukunft des Kompetenzzentrums für Panzertechnik.

Sie müssten die Kompetenzen dann komplett verlagern, womöglich nach Frankreich?

Diese Frage müssten wir uns dann stellen.

Wenn die Teststrecke nicht mehr betrieben werden darf, müssen sie in München die Segel streichen?

Ja, für einen erheblichen Teil der Belegschaft.

 Für die nächsten fünf Jahre planen wir zusätzlich mit 50 bis 100 Mitarbeitern pro Jahr.“ 

KMW-Chef Ralf Ketzel zu den Personalplänen in München.

Was würde aus den verbleibenden 1000 Beschäftigten?

Wir haben bei Airbus gesehen, dass viele Stellen in die Airbus-Zentrale nach Toulouse abgewandert sind. Eine ähnliche Entwicklung wollen wir verhindern.

Was bliebe dann für Allach?

Möglicherweise die deutsche Vertragsabwicklung, also die zentrale Abnahmestelle für die Bundeswehr und Management.

Und wenn die Panzer-Teststrecke bleibt?

Dann würden wir hier weiter Personal aufbauen.

In welcher Größenordnung?

Aktuell beschäftigen wir hier 1700 Mitarbeiter. Für die nächsten fünf Jahre planen wir zusätzlich möglichst mit 50 bis 100 Mitarbeitern pro Jahr.

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