Bahn-Geduldsspiel geht nach Streik weiter

Berlin - „Nicht die Nerven verlieren“ - diesen Leitspruch macht sich Bahn-Vorstandsmitglied Ulrich Weber zu eigen. Im Tarifkonflikt mit der GDL deutet vieles auf eine noch längere Geduldsprobe hin.
Die Deutsche Bahn macht relativ wenig Aufhebens um den Lokführerstreik, der sie doch einige Millionen Euro und Kredit bei der Kundschaft kostet. Auch die meisten Fahrgäste gehen beim siebten Mal routiniert mit dem eingeschränkten Zugverkehr um. Genervt sind sie dennoch und fragen sich, ob bald ein achter Ausstand der Gewerkschaft GDL folgen wird. Zwei Sachverhalte erschweren eine Lösung: Der Konkurrenzkampf der beiden Bahngewerkschaften und das bevorstehende Tarifeinheitsgesetz.
Was haben die bisherigen Streiks der GDL eigentlich gebracht?
Nach den Arbeitsniederlegungen bemühten sich beide Seiten immerhin, Schritt für Schritt vorwärtszukommen. Im Dezember vereinbarten die Tarifparteien für alle GDL-Mitglieder 510 Euro als Einmalzahlung für das zweite Halbjahr 2014. „Durchbruch“, jubelte damals GDL-Chef Claus Weselsky. Dem war nicht so. Ende März hielten Bahn und GDL in einem Protokoll fest, Zugbegleiter und Bordgastronomen in einen Rahmentarifvertrag aufzunehmen. Mehr steht noch nicht fest. Unklar bleibt natürlich zudem, wie die Tarifverhandlungen ohne Streiks gelaufen wären.
An welchem Punkt wurden die Verhandlungen abgebrochen?
Strittig waren zuletzt Details zur tariflichen Eingruppierung der Lokrangierführer. Zumindest vordergründig war das der Anlass für die GDL, ein weiteres Mal das Scheitern der Tarifverhandlungen zu erklären. Der Bahn geht es darum, diese Berufsgruppe in ein künftiges Tarifwerk mit der GDL so einzusortieren, dass die Regelungen im Einklang mit den Tarifvereinbarungen der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für Lokrangierführer stehen. Die GDL wirft der Bahn vor, die Berufsgruppe mit einem Billigtarif abspeisen zu wollen.
Was ist jetzt noch zu tun?
Sobald sich GDL und Bahn über die Tarifstruktur für Lokrangierführer und einige andere Berufsgruppen verständigt haben, geht es ans Eingemachte: Geld, Arbeitszeit, Überstunden. Die GDL hat schon deutlich gemacht, dass sie das erste Angebot einer dreistufigen Einkommenserhöhung um insgesamt fünf Prozent bei 30 Monaten Vertragslaufzeit für zu mickrig hält. Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche.
Warum gibt es eigentlich kein Schlichtungsverfahren?
Weil die GDL es nicht will. Die Bahn verlange von der Gewerkschaft eine Kompromissfähigkeit, zu der sie selbst nicht in der Lage sei, sagt GDL-Chef Weselsky: „Unter diesen Voraussetzungen gehen wir nicht in eine Schlichtung.“ Der Konzern dagegen ist offen für einen Schlichter oder Vermittler. „Wir sind ja nicht diejenigen, die aufgestanden sind und Verhandlungen, die in einem guten Fluss waren, für gescheitert erklärt haben. Wir sind für alles offen, was uns hilft, zu Ergebnissen zu kommen“, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber.
Hat die GDL genug Geld in der Streikkasse für weitere Aktionen?
Das bleibt ihr Geheimnis. Wenn wie zuletzt 3000 Mitglieder streiken, kostet die GDL das pro Tag 75 Euro Streikgeld, macht zusammen 225 000 Euro. Einen Großteil davon dürfte die GDL aus einem Aktionsfonds des Beamtenbundes (DBB) wiederbekommen, in dem sie Mitglied ist.
Welche Rolle spielt die rivalisierende Gewerkschaft EVG?
Die größere EVG führt parallel zur GDL Tarifverhandlungen und hat zuletzt den Druck erhöht, indem sie mit Streik drohte, falls sich die Bahn ihren Forderungen verweigern sollte. Die lauten: 6 Prozent mehr Geld, mindestens aber 150 Euro mehr pro Monat. Zudem sollen Schicht- und Nachtzulagen künftig so stark wachsen wie das Grundgehalt. „Dabei ist uns wichtig, dass wir einen gleichen, gemeinsamen Abschluss für alle Beschäftigten erzielen“, hob EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba hervor.
Was bewirkt das geplante Gesetz zur Tarifeinheit?
Es dürfte die Tariflandschaft bei der Bahn kräftig aufmischen. Künftig soll pro Betrieb nur noch die jeweils größte Gewerkschaft Tarifverträge abschließen, die anderen dürften dann faktisch nicht mehr streiken. Da bestehende Verträge Bestandsschutz erhalten sollen, entsteht Zeitdruck. Denn das Gesetz soll im Sommer in Kraft treten. Die GDL hat bereits eine Klage gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.
dpa