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GDL-Chef Weselsky erklärt nächsten Mega-Streik der Bahn: „Attacke auf das ganze Land“

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Von: Markus Hofstetter

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Claus Weselsky führt die Lokführer der Bahn Richtung Streik. Der GDL-Chef gilt in eigenen Reihen als „Robin Hood“, öffentlich aber wird er heftig kritisiert.

Update vom 10. August 2021, 11.10 Uhr: Die Entscheidung ist gefallen. Die Lokführergewerkschaft GDL hat sich für einen Streik bei der Deutschen Bahn entschieden. Bei der Urabstimmung der Gewerkschaft stimmten 95 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für einen Arbeitskampf. Noch am heutigen Dienstagabend ab 19 Uhr werde der Güterverkehr bestreikt. Ab dem 11. August um 02 Uhr werde auch der Personennahverkehr komplett bestreikt. „Das ist ein bundesweiter Streik“, betont Weselsky, der am Freitag enden solle. Deutschland dürfte ein Streik-Sommer drohen. Ausgerechnet jetzt, da Reisen nach Corona wieder möglich sind. „Nichts außer Tricksen und Täuschen“ sei von der Bahn gekommen, kritisiert Weselsky. „Das Angebot ist für uns nicht verhandelbar!“, stellt er klar.

Erstmeldung vom 10. August 2021, 10 Uhr: Frankfurt/Main - Bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) laufen die Vorbereitungen für Streiks bei der Deutschen Bahn. An diesem Dienstag (10. August) um 11.00 Uhr will die Spartengewerkschaft das Ergebnis ihrer vor sechs Wochen gestarteten Urabstimmung bekanntgeben.

Die Hürde von mindestens 75 Prozent Zustimmung für einen Arbeitskampf sollte laut GDL-Chef Claus Weselsky kein Problem sein. Er rechnet sogar mit einer Zustimmung von über 90 Prozent. Damit könnte es nach sechs Jahren wieder ein Lokführer-Streik geben.

Bahn droht Streik der Lokführer: GDL-Chef Weselsky als „Größen-Bahnsinniger“ beschimpft

Weselsky ist in Deutschland nicht unumstritten. In den eigenen Reihen gilt Weselsky laut Süddeutscher Zeitung als „Robin Hood“ im Kampf gegen das Bahn-Management. Bei Gewerkschaftswahlen kommt er immer wieder auf 90 bis 95 Prozent Zustimmung.

Doch in Boulevardzeitungen wurde er schon als „Größen-Bahnsinniger“ oder „Dämonen-Weselsky“ beschimpft. Der hat gelernt, damit umzugehen. Als die Bild-Zeitung seine Telefonnummer für Beschwerden abdruckte, ließ er die Anrufe kurzerhand auf den damaligen Bahnchef Rüdiger Grube umleiten, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL
GDL-Chef Claus Weselsky wird am 10. August um 11 Uhr das Ergebnis der Urabstimmung bekannt geben © Annette Riedl/dpa/picture alliance

Bahn droht Streik der Lokführer: Im Konzern tobt ein Machtkampf zwischen den Gewerkschaften

Bei einem Streik geht es Weselsky jedoch nicht nur um mehr Lohn und bessere Bedingungen für die GDL-Mitglieder. Im Bahn-Konzern tobt ein Machtkampf zwischen der GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Für die GDL, und damit auch für Weselsky, sind hohe Tarifabschlüsse für möglichst viele Berufsgruppen und Beschäftigte eine Frage des Überlebens und der künftigen Wachstumsmöglichkeiten.

Denn die Bahn muss das Tarifeinheitsgesetz umsetzen. In den rund 300 Betrieben des Unternehmens soll danach nur noch der Tarifvertrag der jeweils größeren Gewerkschaft zur Anwendung kommen. Meist ist das die EVG. Damit muss es das Ziel der GDL sein, der Konkurrenz möglichst viele Mitglieder abzujagen, um größer zu werden.

Bahn droht Streik der Lokführer: GDL-Chef Weselsky fährt harte Linie

Darum fährt Weselsky eine harte Linie. Er hatte es erneut abgelehnt, ohne neues Angebot der Bahn an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wie dies in den vergangenen Wochen mehrfach gefordert worden war. Die GDL will nach seinen Worten eine Nullrunde im laufenden Jahr nicht akzeptieren. Er verlangt eine deutliche Corona-Prämie und Einkommenssteigerungen von 3,2 Prozent bei 28 Monaten Laufzeit. 

Die Bahn dagegen will angesichts von neuen Milliardenverlusten während der Corona-Pandemie und großen Flutschäden einen länger laufenden Tarifvertrag und spätere Erhöhungsstufen bei gleicher Prozentzahl. Darum äußert das Unternehmen harte Kritik an der GDL. Ein Streik wäre eine „Attacke auf das ganze Land“, hatte Bahn-Personalchef Martin Seiler laut dpa erklärt. Eine Bahn-Sprecherin sagte am Montag, dass Streiks Kunden und Beschäftigte wie ein „Schlag ins Gesicht“ treffen würden.

Bahn droht Streik der Lokführer: GDL-Chef Weselsky lässt Beginn und Umfang offen

Fall die Lokführer für einen Streik stimmen, ist offen, ob auch dessen Beginn und Umfang bekannt gegeben wird. Dies hat Weselsky bewusst offen gelassen. Es kann sein, dass schon Ende der Woche viele Züge nicht mehr fahren. Damit würde der Streik mitten in ausgerechnet eine Zeit fallen, in der die Corona-Lage Reisen wieder ermöglicht.

Denkbar ist auch eine weitere Frist an die Bahn für ein verbessertes Angebot. Grundsätzlich sieht die GDL aber keine Beschränkungen für Ort oder zeitliche Länge der Streiks. Die Fahrgäste würden aber rechtzeitig informiert, hatte Weselsky am Montag zu Beginn der Auszählung versprochen.

Bahn droht Streik der Lokführer: Das können Bahn-Reisende machen

Im Fall eines Streiks können die Fahrgäste von geplanten Zugfahrten zurücktreten und sich den Fahrpreis erstatten lassen, wenn eine Verspätung von mehr als 60 Minuten zu erwarten ist. Wer trotzdem in den Zug steigt, für den gelten die üblichen Entschädigungsregeln: bei 60 Minuten Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises, ab 120 Minuten 50 Prozent. (mhof/dpa)

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