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Riskante Abhängigkeit von China-Handel: Drastische Folgen bei Stopp

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Von: Andreas Höß

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Der Hafen in Qingdao ist einer der größten der Welt, in Deutschland aber fast unbekannt
Der Hafen in Qingdao ist einer der größten der Welt, in Deutschland aber fast unbekannt. © Uncredited/CHINATOPIX/AP/dpa

Der Ukraine-Krieg hat die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen aufgedeckt. Doch was passiert, wenn plötzlich auch der Handel mit China stoppt?

München – Es klang einfach und elegant: Wer mit autoritären Regimen Handel treibt, trägt dazu bei, dass sich diese öffnen – und verdient nebenbei sogar gutes Geld. „Wandel durch Handel“ nennt man dieses in den 1960ern vom SPD-Politiker Egon Bahr entwickelte Konzept, mit dem man Russland und China stärker an den Westen binden wollte. Der Ukraine-Krieg hat nun schmerzlich gezeigt, dass man selbst abhängig von Moskau ist, vor allem bei Energielieferungen. Doch was wäre, wenn plötzlich auch der Handel mit China wegen einem Konflikt infrage steht?

China 2021 Deutschlands wichtigster Handelspartner

Ökonomen warnen, dass die Folgen für die deutsche Wirtschaft viel größer wären. Russland sei eine „Drei-Produkte-Wirtschaft“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer, sie basiere vor allem auf Rohstoffen, Öl und Gas. „Das ist alles, während wir von China Zehntausende von Produkte beziehen und wahnsinnig viele Jobs in Deutschland kreieren.“ Mit einem Volumen von 246 Milliarden Euro war China 2021 Deutschlands wichtigster Handelspartner, Russland erreichte nicht einmal ein Viertel dieser Summe. 5000 deutsche Unternehmen sind in China tätig und eine Million Jobs hängen an den Geschäften mit dem Reich der Mitte. Außerdem liefert China zentrale Rohstoffe für Hochtechnologien, die Energiewende und die Elektromobilität wie Lithium und Seltene Erden.

Besonders riskant: Einzelne Branchen brauchen nicht nur viele dieser Rohstoffe, sondern fokussieren sich seit Jahren auch bei ihren Verkäufen voll auf den riesigen und schnell wachsenden Markt. Welche Folgen das haben kann, sieht man im Autobau, der sich fast schon abhängig von den über eine Milliarde chinesischen Konsumenten gemacht hat. Mercedes und BMW verkauften 2021 jedes dritte Auto in China, vor zehn Jahren war es nur jedes sechste. Und Volkswagen bringt in China sogar 40 Prozent seiner Autos an den Mann, 2011 waren es 27 Prozent. Wenn es im Reich der Mitte stockt, wird in Wolfsburg gezittert. Aber auch der Münchner Chip-Hersteller Infineon macht ein Viertel seines Umsatzes in China.

Was passieren würde, wenn dieser Markt von einem Tag auf den anderen wegfällt, will man sich lieber nicht vorstellen. Das sollte man aber. „Die Epoche der Globalisierung der letzten 30 Jahre, frei von politischen Störfaktoren, ist vorbei“, gibt Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin zu bedenken. „Es gilt bei allen wirtschaftlichen Entscheidungen für die Zusammenarbeit mit China politischen Risikofaktoren stärkere Gewichtung zu geben, um Abhängigkeiten beim Umsatz oder bei den Lieferketten zu reduzieren.“ Heißt: Vorsicht vor zu großer Abhängigkeit, politisch könnte auch mal wieder eine Eiszeit drohen.

China, Russland und der Westen - Peking fährt drakonische Null-Covid-Strategie

Mögliche Auslöser dafür gibt es viele. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine stellt auch das Verhältnis Chinas mit dem Westen auf die Probe. Russland und China sind schließlich strategische Partner und die Staatschefs dicke Freunde. China hat zudem eigene Machtgelüste, etwa was Taiwan betrifft. Immer wieder warnen Beobachter, dass Peking seinen Nachbarn überfallen könnte, was international schwere Folgen haben würde. Und auch die Menschenrechtsfrage wird mit den jüngst öffentlich gewordenen Dokumenten über Internierungslager für Uiguren wieder stärker debattiert.

Abseits dieser Szenarien ist es bisher die Corona-Pandemie, die der Wirtschaft ihr China-Risiko aufzeigt. Peking fährt eine drakonische Null-Covid-Strategie, seit Wochen ist wegen Corona-Ausbrüchen der Hafen in Shanghai dicht – der größte der Welt. Laut Schätzungen sollen hier bis zu 20 Prozent der globalen Containerflotten im Stau stehen. Das löst im Handel riesige Verzögerungen aus, weltweit kommt die Logistik komplett aus dem Tritt.

Die Folge: Vorprodukte wie Mikrochips oder Maschinenteile sowie Rohstoffe stecken irgendwo fest und fehlen hier. Das spürt auch die bayerische Wirtschaft. Bayern und Baden-Württemberg sind die größten Autoländer im Bund und haben auch die meisten wirtschaftlichen Verflechtungen mit China. Bayerische Firmen kaufen vor allem Maschinen, Elektrogeräte und Metalle von dort und verkaufen Maschinen, Autos, Medizintechnik und chemische Erzeugnisse. Laut Statistischem Landesamt haben sich die Exporte aus Bayern nach China seit der Jahrtausendwende auf über 24 Milliarden Euro verachtfacht, die Importe stiegen in ähnlichem Maße auf rund 16 Milliarden Euro.

China-Handel und Ukraine-Krieg: Angespannte Situation in bayerischen Fabriken

Die fehlenden Teile aus China verschärfen die durch den Ukraine-Krieg ohnehin angespannte Situation in bayerischen Fabriken. In Bayerns Metall- und Elektroindustrie soll laut einer aktuellen Erhebung bereits in neun von zehn Unternehmen die Produktion gestört sein. Und bei den Autobauern gingen die Verkäufe in China im ersten Quartal stark zurück. Bei BMW lag das Minus bei neun Prozent, bei der VW-Group, zu der auch Audi gehört, waren es sogar 24 Prozent. Bleibt das so, wird das früher oder später auch die bisher noch hohen Gewinne ausbremsen.

Sowohl bei den Lieferketten als auch bei den Absatzmärkten könnte also mehr Diversifizierung angebracht sein. Die sei schon „in vollem Gange“, sagt Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen. Alternative Märkte ließen sich langfristig etwa in Nord- und Südamerika, aber auch in Indien oder Afrika aufbauen. Je nach Branche brauche das aber viel Zeit und verursache hohe Kosten. (Mit Material von dpa)

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