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US-Attacke auf chinesische Chip-Industrie: ifo-Ökonomin Flach sieht großes Risiko

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Von: Patricia Huber

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Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft.
Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft. © Lisandra Flach

Mit neuen Handelsrestriktionen bei Halbleitern erhöhen die USA den Druck auf China. Welche Folgen das für China und Deutschland haben könnte, erklärt ifo-Expertin Lisandra Flach.

Washington/Peking – Die Fronten zwischen den USA und China verhärten sich. Mit neuen Handelsrestriktionen greift Joe Biden die Chipindustrie Chinas an. Wichtige Bauteile für die begehrten Halbleiter dürfen demnach nicht mehr in das autoritäre Land geliefert werden. Zudem dürfen US-Bürger in China nicht mehr bei der Produktion von Halbleitern mitarbeiten. Im Zweifel droht ihnen der Entzug der amerikanischen Staatsbürgerschaft.

Droht Chinas Halbleiter-Industrie der Zusammenbruch?

Damit steht China über Nacht ohne die wichtigsten Fachleute für die Chip-Produktion und die Wartung der hochkomplexen Maschinen da. Ein chinesischer Tech-Influencer sieht darin sogar die „Auslöschung“ der chinesischen Halbleiter-Industrie, wie er auf Twitter schreibt. Aber ist es wirklich so ernst? Welche Auswirkungen haben die Handelsrestriktionen der USA wirklich auf China? Und was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft? Diese Fragen hat die Außenwirtschafts-Expertin Prof. Lisandra Flach vom Münchner ifo-Institut gegenüber Merkur.de von IPPEN.MEDIA beantwortet.

Frau Prof. Flach, im Kampf mit China erhöht Joe Biden den Druck. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet hat, US-Präsident Joe Biden Anfang Oktober scharfe Restriktionen gegen Chinas Chipindustrie erlassen. Wie gefährlich ist das für die chinesische Chipindustrie und die chinesische Wirtschaft?

Auch China ist in wichtigen Teilen der Lieferkette von anderen Ländern abhängig. Die Lieferkette von Halbleitern ist stark länderübergreifend segmentiert, sodass Zwischenprodukte mehrere Grenzen überschreiten, um einen Halbleiter herzustellen. So kommen beispielsweise die für die Herstellung von Halbleitern verwendeten chemischen Stoffe hauptsächlich aus Japan und Europa. Die Wafer kommen hauptsächlich aus Taiwan, Europa und Südkorea. Die Bereitstellung von geistigem Eigentum und von Software für die Automatisierung von Elektronikdesigns wird von US-amerikanischen und britischen Unternehmen dominiert.

Könnte China im Fall eines Handelskriegs also gar keine Halbleiter mehr produzieren?

Es gibt mehrere Arten von Halbleitern mit unterschiedlicher Funktionalität, und China hat sich hauptsächlich auf die Herstellung von sogenannten „alten“ Halbleitern spezialisiert. Die Spitzenhalbleiter werden hauptsächlich in Taiwan und Südkorea hergestellt. Das bedeutet, dass auch China von einem Handelskrieg nicht verschont bleiben würde. China hat auch viel zu verlieren.

ifo-Expertin Flach: „Blockbildung würde zu großen Wohlstandsverlusten führen“

Was heißt das für deutsche Unternehmen? Müssen sie ihre Engagements in China jetzt auf den Prüfstand stellen?

Für deutsche Unternehmen ist vor allem wichtig, kritische Abhängigkeiten zu reduzieren. Wir haben im Februar 2022 deutsche Unternehmen befragt, ob sie auf wichtige Vorleistungen aus China angewiesen sind. Knapp 50 Prozent der Unternehmen, die auf wichtige Vorleistungen aus China angewiesen sind, wollen diese Abhängigkeit verringern. Sie suchen vor allem Zulieferer in der EU, um ihre Lieferketten stärker zu diversifizieren.

Viele Volkswirte befürchten, dass sich die Weltwirtschaft langfristig in zwei Einflusssphären aufteilen könnte. Eine unter US-Führung, die andere unter der Führung Pekings. Teilen Sie diese Vision?

Eine Blockbildung würde zu großen Wohlfahrtsverlusten für Deutschland, aber auch für andere beteiligte Länder führen. Kurzfristig wäre eine Entkopplung von China aufgrund der Bedeutung Chinas als Zulieferer und als Zielland für deutsche Produkte ein schwerer Schlag. Aber nach einiger Zeit könnte die Intensivierung der Handelsbeziehungen mit weiteren Handelspartnern die negativen Folgen abmildern.

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