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Insolvenz-Welle durch Corona? Zahl der Firmenpleiten bisher „verkraftbar“, Privatpleiten steigen sprunghaft

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Von: Bettina Menzel

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Zusammengestellte Tische und Stühle im Außenbereich eines Restaurants im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
Die Corona-Krise traf viele Unternehmen hart, doch die Anzahl der Firmeninsolvenzen ist weniger hoch, als bislang befürchtet. © IMAGO / Seeliger

Seit 1. Mai 2021 gilt die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen wieder. Experten hatten zunächst einen sprunghaften Anstieg von Firmenpleiten befürchtet. Dieser blieb aus – doch Privatinsolvenzen schossen in die Höhe.

Berlin - Während der Corona-Krise kam es im Jahr 2020 zunächst zu einer paradoxen Entwicklung: Die Firmenpleiten gingen trotz weltweiter Finanzkrise zunächst zurück. Denn die Politik hatte eine vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen. Experten erwarteten nach dem Auslaufen dieser Regelung einen sprunghaften Anstieg der Insolvenzen. Seit dem 1. Mai 2021 gilt die Insolvenzantragspflicht wieder, die erwartete Welle an Firmenpleiten blieb aber bislang aus. 

Bankenverband rechnet im Jahr 2021 mit 24.000 Firmenpleiten 

„Das zuletzt niedrige Niveau von Insolvenzen in Deutschland zeichnet ein verzerrtes Bild. Klar ist, dass die Unternehmensinsolvenzen zunehmen werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Christian Ossig. Trotzdem rechnet der Bankenverband nicht mit einem sprunghaften Anstieg, wie zunächst befürchtet. Insgesamt erwarten die Experten im Jahr 2021 24.000 Firmenpleiten. „Das sind Zahlen, die verkraftbar erscheinen“, erklärt Ossig gegenüber der DPA. 2019 meldeten 18.749 Unternehmen Insolvenz an, 2020 waren es 15.841. Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor.
Prof. Dr. Lucas Flöther, Sprecher des Gravenbrucher Kreises, einer Vereinigung von Insolvenzverwaltern, erwartet ebenfalls keinen sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten – allerdings aus einem pragmatischeren Grund: Viele Unternehmen wären seiner Ansicht nach schlicht noch nicht informiert, dass die Insolvenzpflicht wieder gelte. „Es wird einige Zeit dauern, bis es sich herumgesprochen hat, dass die Antragspflichten nach wie vor gelten“, sagt Flöther im Gespräch mit Business Insider.

Privatinsolvenzen steigen um mehr als 50 Prozent

Bei Privatinsolvenzen zeigt sich hingegen ein anderes Bild: Bereits zu Beginn des Jahres stieg die Zahl der Privatpleiten sprunghaft an. Im ersten Quartal meldeten 31.821 Personen Privatinsolvenz an, ein Anstieg um 56,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das geht aus einer Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel hervor. Mehr dazu im Video:

Experten prognostizieren für das Jahr 2021 bis zu 110.000 Privatpleiten. Verbraucherschützer sehen das ähnlich und fordern daher eine Erhöhung des Beratungsangebotes. Denn zu Beginn der Pandemie mussten auch Schuldnerberatungsstellen schließen. Das könnte ebenfalls ein Grund für die steigenden Insolvenzzahlen sein. „Es braucht ein Vertrauensverhältnis, um die Situation der Betroffenen vollständig aufzuklären“, erklärt Christoph Zerhusen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Wir stellen inzwischen flächendeckend in unseren Beratungsstellen fest, dass Menschen durch die Corona-Krise in die Schuldenfalle geraten sind“, so Zerhusen weiter. Besonders betroffen seien Menschen aus der Gastronomie, der Tourismusbranche und dem Veranstaltergeschäft – ebenso wie Studierende und Rentner mit Nebenjobs.

Ansteig der Privatinsolvenzen: Ist eine Gesetzesänderung der Grund?

Als Grund für den massiven Anstieg nennt der Geschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel, Frank Schlein, eine Gesetzesreform, die ein Verkürzen von Insolvenzverfahren ermöglicht. Statt nach sechs Jahren sind Verbraucher dann schon nach drei Jahren schuldenfrei. „Da diese Reform ein großer Vorteil ist, haben viele Antragssteller auf den entsprechenden Beschluss des Bundestages gewartet“, erklärt Schein den sprunghaften Anstieg.

Dabei geht die Wirtschaftsauskunftei davon aus, dass die coronabedingten Zahlen erst ab dem zweiten Halbjahr 2021 spürbar werden und noch bis 2022 fortdauern werden. Es beginne für viele Verbraucher mit einer Überschuldung und ende in der Privatinsolvenz. Die meisten Schulden haben Privatleute demnach bei Geldinstituten, Versicherungen, Versandhändlern, Behörden, Vermietern, Telefongesellschaften und Energieversorgern. Während für Firmen eine Insolvenzantragspflicht gilt, ist dies bei Privatleuten nicht der Fall. Die Folge: Oft beantragen Verbraucher die Privatpleite erst dann, wenn das Konto gesperrt ist oder das Finanzamt eine Vollstreckung durchsetzt.

Banken weiterhin stabil: „Banken in Deutschland gut vorbereitet“

Trotz der mit Insolvenzen verbundenen Kreditausfälle zeigt sich der Bankenverband optimistisch. „Die Banken in Deutschland sind darauf gut vorbereitet, weil sie gut vorgesorgt haben. Die Kapitalpuffer wurden deutlich gestärkt, die Risikovorsorge schon im vergangenen Jahr erhöht“, so BdB-Geschäftsführer Ossig. Von der Politik erwartet der Verband eine Verlängerung der temporären Entlastung der Banken. Gemeint sind unter anderem weniger strenge Kapitalvorgaben. „Bei der Umsetzung des Baseler Regelwerks in Europa wäre es kontraproduktiv, wenn Banken ihre Kreditvergabe herunterfahren müssten, weil die EU-Kommission in ihrem Gesetzentwurf überzogene Kapitalanforderungen formuliert“, ergänzt Ossig. (dpa/bm)

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