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Deutsche Bahn aufspalten - damit der Bahnverkehr in Deutschland endlich wieder vorankommt

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Von: Prof. Dr. Justus Haucap

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Michael Hüther
Prof. Justus Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. © Bruckmann/M. Litzka/DICE

Der Bahnverkehr in Deutschland wird angesichts massiver Verspätungen und Zugausfällen für Fahrgäste zum immer größeren Ärgernis. Warum eine Aufspaltung in Infrastruktur und Betrieb und eine Teil-Privatisierung überfällig ist, beschreibt Professor Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, im Gastbeitrag.

Düsseldorf - Durch den jüngsten Bahnstreik ist es wieder einmal zu zahlreichen Zugausfällen und Verspätungen gekommen – ärgerlich für viele Bahnreisende, aber eigentlich keine allzu ungewöhnliche Situation. Die Pünktlichkeitsrate im Fernverkehr lag im vergangenen Jahr ohnehin bei nur 65,2 Prozent, wobei die Bahn nur Verspätungen ab sechs Minuten für die Statistik zählt.

Zugausfälle berücksichtigt diese Statistik gar nicht, denn ein Zug, der gar nicht kommt, kommt ja auch nicht verspätet. So kann die Bahn ihre Pünktlichkeitsstatistik verbessern, auch wenn es für die Reisenden keineswegs besser wird. Im vergangenen Jahr musste die Bahn wegen Verspätungen die Rekordsumme von 92,7 Millionen Euro als Entschädigungen an Bahnreisende zahlen.

Politik fordert Aufspaltung der Deutschen Bahn

So langsam scheint es der Politik nun zu reichen. Um die anhaltenden Probleme bei der Deutschen Bahn zu bekämpfen, schlägt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einem Reformpapier eine Aufspaltung der Bahn vor. Die Infrastrukturbereiche Fahrwege (Schienen), Bahnhöfe und Energie (Bahnstrom) sollen von den Transportbereichen Regionalverkehr, Fernverkehr und Güterverkehr getrennt und in einer staatlichen Infrastruktur GmbH zusammengefasst werden. Auch die Grünen und die FDP sprechen sich schon seit langem für eine strikte Entflechtung des Bahnkonzerns aus, konnten sich damit aber in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen.

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In der Tat ist dort sogar das Gegenteil vorgesehen, nämlich eine weitere Verschmelzung der Schienen- und Bahnhofssparten und keine weitere Trennung von den Transportsparten. Der Bundesrechnungshof hatte in einem Sonderbericht für den Bundestag kürzlich allerdings ebenfalls gefordert, Infrastruktur und Betrieb bei der Deutschen Bahn zu trennen, und die Monopolkommission fordert dies gebetsmühlenartig schon seit ihrem ersten Gutachten zum Bahnverkehr aus dem Jahr 2006.

Trennung von DB Infrastruktur und Transport: Beflügelt den Wettberwerb

Was soll eine Trennung von Infrastruktur- und Transportsparten bewirken? Erstens wird eine solche Trennung den Wettbewerb beflügeln, weil die aktuell bestehenden Interessenkonflikte im Bahnkonzern aufgelöst werden. Zum einen hat ein separater Infrastrukturbetreiber ein hohes Interesse daran, möglichst viel Verkehr auf die Schiene zu holen, ganz egal, ob die Deutsche Bahn AG die Züge fahren lässt oder ein Wettbewerber. Einer selbstständigen Infrastruktur GmbH wird es vor allem auf eine möglichst hohe Auslastung der Infrastruktur ankommen. Die Deutsche Bahn AG hingegen ist naturgemäß vor allem am Wohlergehen der eigenen Transportsparten interessiert – eine Diskriminierung von Wettbewerbern ist faktisch auch durch Regulierung kaum zu verhindern, weil diese oft sehr subtil erfolgen kann.

Zum anderen sind auch die Wartung und der weitere Ausbau der Bahninfrastruktur in einem integrierten Konzern vor allem dann interessant, wenn dies primär den eigenen Töchtern zugutekommt. Gerade im Güter- und im Regionalverkehr existieren aber inzwischen doch Wettbewerber, die von einem Ausbau des Schienennetzes ebenfalls profitieren würden. Letzteres ist jedoch nicht im Interesse eines integrierten Konzerns. Die bessere, weil wettbewerbsfreundlichere Lösung ist daher ein neutraler Infrastrukturbetreiber, der weder das eine noch das andere Bahnunternehmen bevorzugt.

Eine Aufteilung der Bahn würde Deutschlands Verkehrspolitik voranbringen

Zweitens dürfte eine Entflechtung auch den Fokus des Bahn-Managements schärfen. Aktuell ist der Konzernvorstand für Infrastrukturen, Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr und auch noch die bei DB Schenker beheimatete internationale Logistik zuständig. Der Umsatz von DB Schenker lag im vergangenen Jahr bei mehr als 27 Milliarden Euro, das ist nahezu die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes der Bahn. Die Umsätze in den Bereichen Schienen und Bahnhöfe lagen zusammen bei rund 6,6 Milliarden Euro, die Umsätze im Fernverkehr bei weniger als fünf Milliarden Euro. Es ist nur zu verständlich, wenn angesichts dieser Relationen der Fokus des Managements nicht allein auf dem Schienenverkehr in Deutschland liegt.

Um aber die Verkehrspolitik in Deutschland voranzubringen, wäre genau dies dringend notwendig. Eine strikte organisatorische und am besten auch eigentumsrechtliche Trennung der Bereiche Infrastrukturen, Transporte und internationale Logistik ist daher dringend geboten. Dabei kann der Infrastrukturbereich in staatlicher Hand bleiben, auch weil dies für den Schienenbereich ohnehin durch Artikel 87e Absatz 3 des Grundgesetzes geboten ist. Die Transportbereiche und vor allem die internationale Logistik von DB Schenker – welche im Übrigen rein gar nichts mit einer öffentlichen Daseinsvorsorge zu tun hat – sollten hingegen privatisiert werden. So würde der Wettbewerb auf der Schiene gefördert und die Bahn wäre für die Zukunft gut gerüstet.

Zum Autor: Prof. Justus Haucap ist Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von 2006 bis 2014 war er zudem Mitglied der Monopolkommission der Bundesregierung, davon vier Jahre als Vorsitzender (2008-2012). Haucap setzt sich seit Jahren für eine Legalisierung von Cannabis ein.

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