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Energiewende: Bürokratie-Wahnsinn behindert Solar-Ausbau – Wartezeiten von über einem Jahr

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Von: Lisa Mayerhofer

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Photovoltaikanlage auf Hausdach
Die deutsche Bürokratie bremst den Ausbau von Solaranlagen massiv aus. (Symbolbild) © Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Alternativen zu Öl und Gas sind momentan sehr gefragt – die Solar-Branche steht vor dem Comeback. Doch die deutsche Bürokratie bremst den Ausbau von Solaranlagen massiv aus.

Berlin – Vor zehn Jahren lag die Solarbranche in Deutschland noch am Boden. Billige Solar-Module aus Asien verdrängten die Produkte aus dem „Solar Valley“ im einstigen Chemie-Dreieck der DDR. Viele Firmen, die auch mit Hilfe von staatlichen Beihilfen entstanden waren, mussten Insolvenz anmelden oder wurden ins Ausland verkauft. Inzwischen sieht die Situation aber völlig anders aus. Das Geschäftsklima in der deutschen Solarwirtschaft ist so gut wie nie, weil unzählige Hauseigentümer vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und der Klimakrise auf eine Solaranlage zur Stromerzeugung oder als Heizsystem umsteigen wollen.

Solar-Ausbau vor großem Comeback – wäre da nicht die deutsche Bürokratie

Das Comeback der Solarbranche lockt auch die Investoren an. Jüngstes Beispiel ist das Berliner Start-up Zolar, das am Donnerstag in einer Finanzierungsrunde über 100 Millionen Euro einsammeln konnte. Bundesweit gab es nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft Ende 2021 rund 2,2 Millionen Solaranlagen mit einer Leistung von zusammen 59 Gigawatt Peak – das ist die übliche Einheit für die maximale Leistung der Anlagen unter Standardbedingungen. Allein im vergangenen Jahr kamen 235.600 Anlagen hinzu. Insgesamt wurden 2021 laut Verband 50 Terawattstunden – also 50 Milliarden Kilowattstunden – Solarstrom in Deutschland erzeugt und damit netto zehn Prozent der öffentlichen Stromversorgung gedeckt.

Zolar-Gründer Alex Melzer sieht für den Ausbau der Solarenergie eine Zukunft, die weit über diese Zahlen hinausgeht: „Unser Ziel ist es, bis 2030 zehn Millionen Haushalte in Europa entweder mit einer Solaranlage oder mit erneuerbarer Energie zu versorgen“, sagte er. Bei der Umsetzung dieser ambitionierten Ziele stoßen Zolar und die anderen Unternehmen der Branche allerdings auf Hindernisse. Zum einen gibt es derzeit gar nicht genügend Handwerker, die in der Lage sind, Solaranlagen zu installieren. Außerdem kämpft die Branche und ihre Kunden neben Schwierigkeiten in der Lieferkette auch mit dem Wahnsinn der deutschen Bürokratie.

Das Problem: Jede größere Solaranlage benötigt ein Anlagenzertifikat, um ans Netz zu dürfen. Mit der „Technischen Anwendungsregel Mittelspannung“ (VDE-AR-N 4110) wurde 2019 festgelegt, dass eine Zertifizierung schon ab 135 Kilowatt nötig ist. Dadurch vervielfachten sich die Anträge, berichtet Focus Online. Die Zertifizierungsstellen können diese kaum mehr bewältigen. Die Folge: „Die Wartezeiten haben sich deutlich verlängert und betragen nun teils über ein Jahr”, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, gegenüber dem Nachrichtenportal. Mehr als 1000 fertig installierte Solaranlagen können nach Schätzung des Verbandes aus diesem Grund nicht in Betrieb gehen.

Bürokratie bei Solaranlagen: „Es würde schon reichen, Hindernisse abzubauen”

Wer eine Solaranlage möchte, dem geht dadurch nicht nur Geld verloren – er muss sich noch dazu auf eine Menge Arbeit einstellen: Die Unterlagen für einen solchen Antrag können mehrere Ordner füllen, zitiert Focus Online eine Anwältin für Energierecht. „Diese neue Anforderung ist alles andere als ‘einfach’ und in unseren Augen für kleinere Anlagen gänzlich unverhältnismäßig“, sagt Körnig dem Nachrichtenportal.

Dabei sollte die deutsche Regierung durchaus Interesse an einem möglichst hindernisfreien Ausbau von Fotovoltaik haben. Bis 2035 will sich Deutschland zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgen. Im Zuge dessen sollen bis 2030 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 200 Gigawatt installiert sein. Bislang sind es 59 Gigawatt – es ist also die nächsten Jahre noch sehr viel zu tun.

Mario Kohle, Geschäftsführer des Solaranlagen-Anbieters Enpal, richtet bei Focus Online einen einfachen Wunsch an die deutsche Politik: „Ich bin nicht der Meinung, dass es einer großen finanziellen Förderung durch den Staat bedarf, weil Erneuerbare Energien sind einfach die Zukunft”, sagt er. „Es würde schon reichen, Hindernisse abzubauen.” (lma/dpa)

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