Hohe Energiepreise: So könnte die Ampel die Bürger entlasten
Die hohen Energiepreise setzen vielen Haushalten zu. Die Bundesregierung will Abhilfe schaffen. Wie das dritte Hilfsprogramm aussehen könnte.
Berlin – Der Gaspreis ist bereits so hoch wie nie und steigt weiter: Ab dem 1. Oktober wird die Gas-Umlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde zuzüglich Mehrwertsteuer fällig. Für private Verbraucher entstehen dadurch zusätzliche Belastungen in Höhe von mehreren hundert Euro im Jahr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will deshalb nach Möglichkeit vorher schon ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg bringen. Vorschläge gibt es viele:
Lindners Entlastungsplan: Kalte Progression bekämpfen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat ein Steuerentlastungspaket mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro vor allem zur Bekämpfung der so genannten Kalten Progression vorgeschlagen. Der Begriff bezeichnet den Effekt, dass eine Lohnerhöhung von der Steuerprogression aufgefressen werden kann und das reale Nettoeinkommen eines Arbeitnehmers sogar sinkt. Von den Ampel-Plänen sollen 48 Millionen Menschen profitieren und im Schnitt um 192 Euro entlastet werden. Konkrete Maßnahmen wären etwa eine Erhöhung des Grundfreibetrags bei der Einkommenssteuer und eine leichte Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag. Kritiker bemängeln jedoch, dass Lindners Vorschläge hohe Einkommen besonders stark entlasten würden.
Wohngeldreform
Eine Wohngeldreform gilt als wahrscheinliche Maßnahme, die Details sind aber noch weitgehend unklar. Wohlfahrtsverbände fordern eine deutliche Erhöhung und dauerhafte Anpassung des Wohngeldes an die Mietentwicklung. Der Deutsche Mieterbund sprach sich dafür aus, die Einkommensgrenze für den Wohngeldanspruch deutlich zu erhöhen – auf netto 5000 Euro im Monat pro Haushalt.
Kindergrundsicherung und Bürgergeld-Erhöhung
Sozialverbände fordern gezielte Maßnahmen, um einkommensschwache Haushalte zu entlasten, etwa eine umgehende Erhöhung des Regelsatzes auf 678 Euro oder die rasche Einführung einer Kindergrundsicherung. Grünen-Chefin Ricarda Lang brachte eine Erhöhung des Bürgergeldes oder eine weitere Energiepauschale ins Spiel. Die Direktzahlung unterliegt der Einkommensteuer, Geringverdiener profitieren daher am meisten davon. Aus dem linken Lager kamen Rufe nach hohen Einmalzahlungen pro Haushalt, etwa in Höhe von 1500 Euro.
Gasumlage streichen oder reduzieren
Die Linke kritisierte die Umlage als „schallende Ohrfeige“ für einkommensschwache Haushalte und forderte deren Rücknahme. Gestützt werden könnten die Energieversorger stattdessen mit zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Denn aufgrund der steigenden Preise würden in diesem Jahr allein 60 Milliarden Euro zusätzlich über die Mehrwertsteuer eingenommen.
Von Unionspolitikern wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kommen Forderungen nach einer deutlichen Reduzierung der Umlage, nachdem die EU-Kommission der Bundesregierung untersagt hat, auf die Mehrwertsteuer auf die Abgabe zu verzichten. SPD- und Grünen-Vertreter fordern wegen der Absage aus Brüssel, zumindest einen möglichst niedrigen Mehrwertsteuersatz von fünf Prozent auf die Gasumlage zu erheben.
Steuersenkungen im Energiebereich
Der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft fordert eine generelle Absenkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas auf sieben Prozent mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Der Forderung schlossen sich etwa der SPD-Abgeordnete Hannes Walter und Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) an.
Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt: Weiterführung bisheriger Maßnahmen
Viel gefordert und doch heftig umstritten ist eine Weiterführung oder Weiterentwicklung des Neun-Euro-Tickets. Knackpunkt ist die Finanzierung. Die Verkehrsverbünde führen auch an, dass es für die Entwicklung eines alternativen verbundübergreifenden Angebots mehr Zeit bräuchte. Wirtschaftsverbände sprachen sich auch für eine Fortsetzung des Tankrabatts aus, andernfalls drohe im September ein „Preisschock“.

Rechtsschutz für Mieter
Sozialverbände befürchten, dass Mietern wegen der hohen Energierechnungen Strom- und Gassperren oder Kündigungen drohen. Der Eigentümerverband Haus & Grund mahnte, dass auch die Vermieter nicht auf den Kosten sitzen bleiben dürften. Ihnen müsse eingeräumt werden, die Heizkostenvorauszahlungen sofort zu erhöhen. Andernfalls würden die Eigentümer angesichts der massiven Preissteigerungen in Vorkasse gehen – etlichen drohe dann „schlichtweg die Zahlungsunfähigkeit“.
Linke und Gewerkschaften fordern Energiepreisdeckel
Linken-Politiker und Gewerkschaften fordern eine Deckelung des Gaspreises beim Grundverbrauch. Verdi etwa forderte, die Kosten für den „normalen Verbrauch“ einer vierköpfigen Familie von 12.000 Kilowattstunden auf dem Niveau von 2021 zu deckeln.
Übergewinnsteuer: Uneinigkeit in der Ampel-Koalition
Forderungen nach einer Abschöpfung der Gewinne von Unternehmen, die von der aktuellen Krise profitieren, häufen sich. Mehrere europäische Länder sind diesen Weg bereits gegangen. In der Ampel-Koalition kommt auch von Grünen und SPD Zuspruch dafür, um mit den Einnahmen Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren. Die FDP lehnt dies bislang strikt ab. (AFP)