EU-Haushalt: Deutschland ist mit Abstand größter Nettozahler – was dahinter steckt

Deutschland hat einer neuen IW-Studie zufolge netto 21,4 Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt eingezahlt als es erhalten hat. Ein Überblick zeigt, was hinter dieser Zahl steckt.
Brüssel – Der EU-Haushalt ist schon seit langem ein Zankapfel innerhalb der europäischen Länder. Denn die Europäische Union finanziert ihren Haushalt zum größten Teil aus Beiträgen der Mitgliedstaaten. Dabei fließt auch Geld aus dem EU-Haushalt zurück an die Mitgliedsstaaten, woraus sich für die Länder Nettopositionen gegenüber dem EU-Budget ergeben. Und die Frage stellt sich: Wer profitiert am meisten?
Deutschland ist größter Nettozahler in der EU – und zwar mit Abstand
In einer neuen Studie auf Basis von Zahlen der Europäischen Kommission hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) jetzt die Finanzflüsse zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem EU-Haushalt berechnet. Die Kalkulation der Nettopositionen folge laut Forscher der Methode der Europäischen Kommission, wobei die Zolleinnahmen und Verwaltungsausgaben außen vor bleiben. Der Studie zufolge haben 2021 zehn Staaten mehr in den EU-Haushalt eingezahlt als sie daraus erhalten haben; sie waren damit Nettozahler. 17 Staaten waren Nettoempfänger.
Größter Nettozahler 2021 war Deutschland mit einem Betrag von 21,4 Milliarden Euro in absoluten Werten. Dabei ist auffällig: Der Nettobetrag ist von 2020 auf 2021 um 5,9 Milliarden Euro stark gewachsen. Dieser Anstieg dürfte auch auf den Brexit zurückzuführen sein.
Es folgen Frankreich mit 10,9 Milliarden Euro und die Niederlande mit knapp 4,1 Milliarden Euro. In den Top 5 befinden sich noch Schweden und Dänemark. Bei den Nettoempfängern liegt Polen mit 12,9 Milliarden Euro vorne, gefolgt von Griechenland mit 4,7 Milliarden Euro und Ungarn mit 4,3 Milliarden Euro. Die weiteren Plätze belegen Rumänien und Spanien.
Deutschland als Nettozahler: Wie man die Zahlen noch betrachten kann
Das Bild verschiebt sich aber, wenn man die Nettopositionen relativ zum Bruttonationaleinkommen (BNE) betrachtet. Dann bleibt Deutschland zwar größter Nettozahler, der 0,58 Prozent des BNE abtritt. Doch darauf folgen in geringeren Abständen die Niederlande mit 0,48 Prozent, Schweden mit 0,46 Prozent sowie Frankreich und Dänemark mit jeweils 0,43 Prozent. Bei den Nettoempfängern liegt Kroatien mit 3,08 Prozent des BNE an der Spitze, vor Litauen und Ungarn mit 3,05 bzw. 2,89 Prozent. Auf den nächsten Plätzen liegen Bulgarien und Lettland.
Doch was steckt hinter diesen Zahlen? Warum zahlt Deutschland so viel mehr? Ein Grund dafür ist schlicht, dass Deutschland im Vergleich wohlhabender ist und viel mehr Einwohner hat als die anderen EU-Staaten. Daraus ergibt sich natürlich, dass Deutschland eine viel größere Summen zahlt als zum Beispiel das viel kleinere Dänemark. Das zeigt sich eindrucksvoll, wenn die Nettobeträge auf die Einwohner der Länder umgerechnet werden.
Dabei schmilzt der Abstand Deutschlands zu anderen wohlhabenden EU-Ländern praktisch weg. Demnach zahlt dann jeder Deutsche 257 Euro an die EU, dicht gefolgt von den Dänen mit 253 Euro, Schweden (240 Euro) und Niederländern (233 Euro). Dagegen erhielt Litauen pro Einwohner 586 Euro, Estland 563 Euro und Lettland 478 Euro.
Was der Brexit mit dem EU-Haushalt zu tun hat
Die IW-Forscher betonen auch, dass eine alleinige Betrachtung der Nettopositionen den Nutzen der EU für die Mitgliedstaaten nicht hinreichend erfassen würde. Deutschland profitiert als Exportnation beispielsweise wirtschaftlich immens von den anderen EU-Ländern.
Die Zahlen habe das IW vor allem berechnet, weil die Europäische Kommission die Nettopositionen nicht mehr selbst veröffentliche. Das IW mahnt aber, dass die Kommission diese Praxis aus Gründen der Transparenz wieder aufnehmen sollte, um beliebigen Rechnungen und verzerrten, europakritischen Darstellungen direkt entgegenzuwirken.
Ein Grund, warum Deutschland dieses Jahr so viele Zahlungen leisten musste, ist übrigens, weil die EU mit dem Brexit Großbritannien als großen Nettozahler verloren hat. Das Vereinigte Königreich überwies im Jahr 2020 10,2 Milliarden Euro mehr an die EU, als es von dieser direkt zurückbekam. Das müssen nun die anderen Nettozahler – vor allem Deutschland und Frankreich – auffangen. Großbritannien stürzt währenddessen in eine möglicherweise lang anhaltende Konjunkturkrise und kämpft mit seiner sinkenden Wirtschaftsleistung. Brexit-Unterstützer hatten den EU-Austritt unter anderem mit Verweis auf die Nettozahlungen gefordert – und müssen nun mit den schweren wirtschaftlichen Folgen kämpfen.