Konjunktur: Ganz Europa wächst - bis auf Deutschland
Die EU-Kommission blickt skeptisch ins nächste Jahr. Vor allem für die einstige Wachstumslok Deutschland ist Brüssel pessimistisch.
Brüssel - Die EU-Kommission erwartet im kommenden Jahr kaum noch Wachstum in Europa – und für Deutschland sogar einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Das geht aus der neuen Herbstprognose hervor, die die Brüsseler Behörde am Freitag vorlegte. Danach dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 27 Mitgliedstaaten 2023 noch um 0,3 Prozent zulegen. Für Deutschland ist die Kommission besonders skeptisch. Mit einem Minus von 0,6 Prozent droht der größten Volkswirtschaft Europas laut EU gemeinsam mit Schweden der härteste Rückschlag auf dem Alten Kontinent.

„Wir haben schwierige Monate vor uns“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. „Das Potenzial für weitere wirtschaftliche Störungen aufgrund des russischen Krieges ist noch lange nicht ausgeschöpft.“ Nach bisherigem Stand werde erwartet, dass „die EU, der Euroraum und die meisten Mitgliedstaaten im letzten Quartal des Jahres in eine Rezession abgleiten werden“, erklärte die Kommission.
EU korrigiert Prognose deutlich nach unten
Im Juli hatte die Behörde noch 1,4 Prozent Wachstum für 2023 prognostiziert. Sie verwies nun auf die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit, hohe Energiepreise und Kaufkraftverluste der Privathaushalte, die „restriktiveren Finanzierungsbedingungen“ wegen der hohen Zinsen sowie die ebenfalls schwächelnde Weltwirtschaft. Die Inflationserwartung für das kommende Jahr hob sie von vier auf nun 6,1 Prozent an.
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Für Deutschland fiel die Korrektur der Juli-Wachstumsprognose für das kommende Jahr besonders deutlich aus. Damals erwartete Brüssel noch ein BIP-Plus von 1,4 Prozent. Die Kommission verweist auf eine verzögerte Erholung von der Corona-Krise. Die Produktion habe in Deutschland später als in vielen anderen Mitgliedstaaten wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Die Bundesregierung geht aktuell für 2023 von einem Minus von 0,4 Prozent aus, die Wirtschaftsweisen rechnen mit minus 0,2 Prozent.
Kojunktur-Ausblick: Schlusslicht Deutschland
Innerhalb der EU rechnet Brüssel nur noch in Schweden (ebenfalls -0,6 Prozent) und Lettland (-0,3 Prozent) mit einem Abschwung. Außerhalb der EU muss Großbritannien den Angaben zufolge mit einer Verringerung der Wirtschaftsleistung um 0,9 Prozent im kommenden Jahr rechnen.
Für das laufende Jahr hob die Kommission ihre Erwartungen für die EU jedoch an: „Die starke Dynamik von 2021 und das kräftige Wachstum in der ersten Jahreshälfte dürften das reale BIP-Wachstum in der EU im Jahr 2022 insgesamt auf 3,3 Prozent ansteigen lassen.“ Im Juli war die Behörde noch von einer Zunahme des BIP um 2,7 Prozent ausgegangen. Zuletzt hatten mehrere Mitgliedstaaten mit stabilen Wachstumszahlen überrascht.
EU-Kommission erwartet nachlassenden Inflationsdruck
Was die Inflation angeht, steht der Höhepunkt nach Einschätzung der Kommissionsexperten noch bevor und dürfte gegen Ende des Jahres erreicht werden. Für das laufende Jahr korrigierte die Kommission die Inflationserwartung daher von 7,6 Prozent auf 8,5 Prozent nach oben.
Auf dem Arbeitsmarkt erwartet die Kommission trotz trüber Wachstumsaussichten und hoher Inflation keine dramatischen Folgen: „Es wird erwartet, dass die Arbeitsmärkte mit Verzögerung auf die Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit reagieren, aber widerstandsfähig bleiben werden.“ Die Beschäftigung liegt derzeit auf einem Allzeithoch, während die Arbeitslosigkeit so niedrig wie nie ist. (AFP/utz)