Experte: Verkehrswende könnte an gestiegenen Strompreisen scheitern

Vor einem Scheitern der Verkehrswende durch die rasant gestiegenen Strompreise warnt Auto-Ökonom Stefan Bratzel.
Osnabrück/Berlin - «Die Strompreisexplosion könnte zu einer akuten Gefahr für die Verkehrswende werden, da müssen wir verdammt aufpassen», sagte der Gründer des Center of Automotive Management (CAM) der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (NOZ, Freitag). «Der Hochlauf der Elektromobilität droht zu scheitern, wenn der Stromer im Verbrauch teurer wird als Benziner oder Diesel, weil sich dann kaum noch jemand ein Elektroauto kaufen würde.» Damit geriete der Umstieg in Richtung klimaschonender Verkehr ins Wanken, das müsse unbedingt verhindert werden.
Nötig sei «ein regulatives Korsett, das die Strompreise unter den Spritpreisen hält, so dass man im direkten Vergleich mit einem Elektroauto auf 100 Kilometern billiger unterwegs ist als mit einem Benziner oder Diesel», sagte Bratzel. «Es braucht diesen Preisabstand, um die Autofahrer für den Wechsel zu gewinnen und die Industrie nicht komplett zu verunsichern.» Eine Bedrohung für die Verkehrswende sieht Bratzel auch in der Rekordinflation. Bei schlechter Konjunktur würden größere Anschaffungen auf die lange Bank geschoben. «Auch das könnte den Markthochlauf verzögern, dazu führen, dass die Autofahrer länger mit ihren Dieseln oder Benzinern unterwegs sein werden.»
Gestiegene Preise: Handelsverband fordert weiteres Entlastungspaket
Der Handelsverband Deutschland (HDE) dringt angesichts der dramatisch gestiegenen Energiepreise und der hohen Inflation auf die zügige Verabschiedung eines dritten Entlastungspakets für Privathaushalte und Unternehmen. «Um einen breiten Exitus im Handel und in unseren Innenstädten sowie einen weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise zu verhindern, müssen die Preisanstiege rasch und zielgerichtet abgefedert werden», schreiben HDE-Präsident Josef Sanktjohanser und HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in einem gemeinsamen Brief an die Spitzen der Ampel-Koalition, darunter Bundesminister Robert Habeck (Grüne), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Einen zentralen Baustein für ein Entlastungs- und Unterstützungspaket sieht der HDE in der Einführung einer vorübergehenden Energiepreisbremse. Diese müsse für Privathaushalte und Unternehmen gelten. Auch die Senkung der Stromsteuer von derzeit 2,05 Cent pro Kilowattstunde auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Cent ist aus Sicht des Verbandes ein sinnvolles Instrument. Einkommensschwache Haushalte müssten zudem durch Transferleistungen und mittlere Einkommen durch den Abbau der sogenannten kalten Progression entlastet werden. Das ist eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgefressen werden, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führen. (dpa)