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Warum Banken den Strafzins zahlen: Wir erklären das EZB-System

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Von: Martin Prem

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Wer sein Auto parkt, kommt an der entsprechenden Gebühr nicht vorbei. Auch Banken, die über Nacht Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen dafür zahlen. Foto: Markus Scholz / dpa
Wer sein Auto parkt, kommt an der entsprechenden Gebühr nicht vorbei. Auch Banken, die über Nacht Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, müssen dafür zahlen. © Markus Scholz / dpa

München - Warum parken Banken Geld bei der EZB, wenn sie nichts dafür bekommen, sondern sogar Strafzinsen zahlen müssen? Um das zu verstehen, muss man ein bisschen in die sehr theoretische Welt der EZB-Leitzinsen eintauchen.

Bringt ein Mensch sein Erspartes aufs Sparbuch, zahlt die Bank dafür Zinsen. Nicht viel, aber ein paar hundertstel Prozent sind es in der Regel doch noch. Was würde der Kunde tun, wenn er dafür nichts mehr bekäme, sondern fürs Bunkern seines Geldes sogar noch etwas zahlen müsste? Die meisten würden das Geld dann lieber daheim unter der Matratze lagern. Warum aber parken Banken Geld bei der EZB, wenn sie dafür 0,4 Prozent Negativ-Zins berappen müssen?

Die Antwort: Sie tun es nur, wenn sie nicht anders können. Vereinfacht dargestellt ist es folgendermaßen: Die Bank hat selbst ein Konto – bei der Europäischen Zentralbank (EZB), auf das sie normalerweise für eine Woche Zentralbankgeld gegen Sicherheiten bekommen kann. Dafür zahlt sie Zinsen: Den Hauptrefinanzierungssatz, den wichtigsten EZB-Leitzins. Der liegt zur Zeit bei Null. Das ist eine schöne Sache, wenn die Bank etwas mit dem Geld anfangen kann. Zum Beispiel es als Kredit in die Realwirtschaft pumpen. Dann erwirtschaftet sie mit dem kostenlosen Geld auch noch Zinsüberschüsse. Sie kann also mit dem Zentralbankgeld wirtschaften und Geschäfte machen.

Ein Teil des Geldes ist aber Reserve und sichert die Liquidität, die die Bank braucht, um mit Kunden spontan ins Geschäft zu kommen – etwa um kurzfristig eine Kredittranche auszuzahlen. Dann verringert sich der Kontostand der Bank bei der EZB. Der Betrag landet auf dem Girokonto des Kreditnehmers.

EZB "bestraft" Übernachtgeschäfte

Was die Bank am Abend übrig hat, bleibt über Nacht auf dem EZB-Konto. Die Bank muss also aktiv überhaupt nichts tun, um ihre Reserven bei der EZB zu parken, das geschieht ganz automatisch.

Ebenso automatisch wird der zweite Leitzins der EZB fällig, der so genannte Einlagensatz, der derzeit bei Minus 0,4 Prozent liegt. Das ist der berühmte Strafzins. Nun kann es umgekehrt sein, dass das Konto der Bank bei der EZB abends ins Minus rutscht. Dann muss die Bank sich von der EZB kurzfristig Geld ausleihen und dafür Zinsen zahlen. 0,25 Prozent ist derzeit der dritte Leitzins, der sogenannte Spitzenrefinanzierungssatz. Gewissermaßen ist auch das ein Strafzins. Denn die Zentralbank will wegen dieser Übernachtgeschäfte möglichst nicht behelligt werden.

Am liebsten wäre ihr, das würden die Geschäftsbanken unter sich ausmachen. Die Bank, deren Zentralbankkonto ins Minus rauscht, würde sich das Geld bei einer anderen Bank über Nacht ausleihen, die sonst für hohe Überschüsse Strafzinsen zahlen müsste. Sie könnten sich auf einen Satz zwischen minus 0,4 und Plus 0,25 Prozent einigen. Davon würden dann beide Seiten profitieren. Deshalb gelten Spitzenrefinanzierungssatz und Einlagesatz als Ober- und Untergrenze für die Zinsen bei Übernachtgeschäften zwischen Banken. Ein Ziel der gegenwärtigen EZB-Politik ist es, die Geschäfte zwischen Banken anzutreiben.

Es gibt Alternativen für die Banken

Die Banken haben allerdings auch andere Möglichkeiten. Sie könnten versuchen, Geld in Wertpapieren – etwa kurzfristig laufenden Anleihen – zu parken, um damit Strafzinsen zu entgehen.

Eine zweite Möglichkeit wäre es für Banken, das Geld auf dem Zentralbankkonto zu Bargeld zu machen und in eigenen Tresoren zu horten. Das ist grundsätzlich möglich, lohnt sich aber nur, wenn der Aufwand für Transport, Lagerung und Sicherung des Bargeldes nicht teurer ist als die Strafzinsen. Vor allem im Sparkassensektor gibt es entsprechende Überlegungen.

Denn die Sparkassen – ähnlich auch die Volks- und Raiffeisenbanken – haben weit mehr Kundeneinlagen als sie an Krediten ausreichen können. Sie haben also nichts von dem kostenlosen Zentralbankgeld, müssen aber wegen hoher Liquiditätsüberschüsse reichlich Strafzinsen zahlen.

Alle Banken haben ein Konto bei der EZB

Denn nicht nur Banken, die sich über die Zentralbank refinanzieren, haben ein Konto bei der EZB, sondern auch Geldhäuser, die sich Geld über Kundeneinlagen holen. Einen Teil davon müssen sie als Mindestreserve derzeit zinsfrei bei der EZB anlegen. Für Überschussreserven, die darüber hinausreichen, wird der Einlagesatz fällig.

Übrigens ist brachliegendes Geld aus einem Kredit nicht nur für Banken, sondern auch für Privatkunden ein Verlustgeschäft. Wer beispielsweise baut, und einen entsprechenden Kredit bei der Bank aufnimmt, parkt das Geld in der Regel zinsfrei auf dem Girokonto, bis die Rechnungen fällig werden, während auf dem Kreditkonto die Zinsuhr bereits gnadenlos läuft.

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