Finanzdaten-Austausch: Es wird eng für Steuerbetrüger
Berlin - Es sei ein „Meilenstein“, loben selbst notorische Kritiker das globale Abkommen gegen weltweite Steuerflucht. Aber noch fehlt die eine oder andere wichtige Unterschrift. Vor allem: Absichten allein reichen nicht aus. Letztlich kommt es auf die Umsetzung an.
Es brechen schwere Zeiten an für Schwarzgeldbesitzer, die ihr im Ausland gebunkertes Vermögen vor dem Fiskus verbergen. Nicht nur, dass es für Steuerbetrüger schon ab Januar deutlich teurer und komplizierter wird, per Selbstanzeige straffrei davonzukommen. Auch deshalb schießt die Zahl derer, die schnell noch einen Offenbarungseid vor dem Finanzamt leisten, in diesem Jahr auf ungeahnte Rekordhöhen. Vor allem aber gibt es bald kaum noch Fluchtburgen auf der Welt, um Geld illegal parken zu können.
Das jedenfalls ist der Plan der vorerst 51 Staaten, die am Mittwoch in Berlin ein Abkommen über den automatischen Austausch von Steuerdaten unterzeichnet haben. Die Zahl der Befürworter wächst - noch kurz vor Unterzeichnung sagten weitere Länder Ja. Inzwischen unterstützen mehr als 90 Staaten den Datenaustausch und das Regelwerk, darunter Finanzzentren wie die Schweiz, Liechtenstein, Singapur und die Kaiman- oder Kanal-Inseln.
Auch wenn teils noch die Unterschrift fehlt: Mit den globalen Standards der Industrieländer-Organisation OECD verpflichten sich die teilnehmenden Länder, sich ab Herbst 2017 über Auslandskonten von Privatpersonen zu informieren. Das über Jahrzehnte gehütete Bankgeheimnis ist damit praktisch passé.
Die Schweiz gehört zwar nicht zu den Erst-Unterzeichnern, will aber später dazustoßen. Die USA, die eigentlich zu den Vorreitern beim bilateralen Datenaustausch gehören und ein eigenes Anti-Steuerflucht-Gesetz auf den Weg brachten, zögern noch. Manches Land sperrt sich ganz - darunter Panama. Es wird daher noch dauern, bis auch der letzte Steuersumpf endgültig trockengelegt ist.
Aber selbst sonst besonders kritische Nichtregierungsorganisationen wie das weltweite Netzwerk TJN loben das Abkommen als echten Fortschritt. Zumal es gerade einmal eineinhalb Jahre gedauert hat, bis sich die Staaten auf die einheitlichen Regeln und OECD-Standards verständigt haben. Und weil künftig weit mehr Kapitalerträge und Finanzströme erfasst werden als bisher - und auch die üblichen Vehikel und Konstrukte der Verschleierungs-Experten.
Kein Vergleich zum lückenhaften und umständlichen Datenaustausch der Vergangenheit, der ein sehr zähes Geschäft war. Oft hatten Behörden einen Verdacht, wussten aber gar nicht, wo sie anfangen sollten. Anfragen hatten sich von vornherein erledigt. Viele Staaten zogen sich auch auf das Bankgeheimnis zurück und mauerten komplett.
Bei allem Jubel über den „Meilenstein“ - im Detail gibt es natürlich Kritik: Es gebe immer noch viele Schlupflöcher für die ganz, ganz Reichen, moniert die Organisation „Tax Justice Network“ (TJN). Aus ihrer Sicht könnten die Daten auch nur eingeschränkt genutzt werden, lediglich in Steuerangelegenheiten. Geldwäsche und Korruption könnten auch künftig nicht so verfolgt werden wie eigentlich nötig.
Kritisiert wird eine Ungleichbehandlung von Ländern. TJN-Analyst Markus Meinzer macht ein „Zwei-Klassen-Steuerrecht“ aus. Zwar gebe es das multilaterale Abkommen und viele Absichten. Die Regeln seien aber zu locker formuliert. Jeder Staat könne selbst entscheiden, welchem anderen Land er welche Daten übermitteln wolle. Befürchtet wird, dass nur Länder mit großem Drohpotenzial ausreichend Informationen erhalten. Anderen Staaten, vor allem Entwicklungs- und Schwellenländern, könnten Informationen verwehrt werden.
Was wiederum vor allem westliche Banken nutzen könnten, um verstärkt Vermögende und Klienten aus ärmeren Ländern als Kunden zu gewinnen und so Ausfälle zu kompensieren. Meinzer: „Hier haben wir eine heuchlerische Doppelstrategie vieler Schattenfinanzzentren.“ Es dürfe keine Steuerflucht-Strategie auf dem Rücken der Ärmsten geben.
Bei aller Kritik im Detail. Entscheidend wird am Ende vor allem die Umsetzung des globalen Regelwerks in den einzelnen Ländern sein. Manchmal könnte schon ein Regierungswechsel ausreichen, und das eine oder andere Land schert wieder aus. Alle 28 EU-Länder ziehen zwar mit, Österreich aber will erst ein Jahr später einsteigen.
Der Chef der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, warnt davor, dass das Ganze als Papiertiger endet. Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht, für Ressourcen in den Finanzämtern zu sorgen: „Nichts wäre doch schlimmer, als dass wir Jahrzehnte die Forderung gestellt haben, und hinterher endet der Datenaustausch in einem Nirwana.“
dpa