Schon vor dem Ukraine-Krieg waren die Gaspreise im Großhandel hoch, seit der Invasion stiegen sie weiter. Derzeit bereiten vor allem die drastischen Lieferkürzungen seitens Russland Probleme. Das Gas muss anderweitig zu höheren Preisen beschafft werden, zum Beispiel aus Norwegen. Spätestens im November kommt die Gas-Umlage dazu, mit der Energieversorger einen Großteil ihrer Zusatzkosten weiterreichen können.
Verbraucher müssen Preiserhöhungen und zusätzlich die Umlage schultern. Wer aktuell keine Erhöhungen bekommt, dem droht mit der nächsten Jahresabrechnung das böse Erwachen. Daher werden Forderungen laut, dass ein Grundbedarf an Gas schon jetzt bezahlbar bleibt. Der Bedarf ist hoch: In Deutschland wird knapp jede zweite Wohnung mit Gas beheizt.
Schon im März, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, schlugen der Ökonom Sebastian Dullien und die Wirtschaftsprofessorin Isabella Weber vor, einen Jahresbedarf von 8000 Kilowattstunden - das ist etwa der halbe Verbrauch einer 100-Quadratmeter-Wohnung - bei 7,5 Cent pro Kilowattstunde zu deckeln, also zum Preis von Ende 2021. Darüber müsste der vom Markt bestimmte Preis gezahlt werden.
Mittlerweile wird von anderen Zahlen ausgegangen und vorgeschlagen, den Sockelbetrag nach Haushaltsgröße zu variieren, wie Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, darlegt. So könnten 5000 Kilowattstunden als Grundsockel und 2000 Kilowattstunden für jedes weitere Familienmitglied genommen werden - gedeckelt bei 13 Cent pro Kilowattstunde. Das sei in der "Nähe des aktuellen Durchschnittspreises". Durch die Variation würden Familien stärker entlastet als "Singles in großen Altbauwohnungen".
Andere Modelle sind ähnlich: Der Deutsche Gewerkschaftsbund veranschlagt einen Grundbedarf von 8000 Kilowattstunden für 7,5 Cent pro Einheit - Haushalte mit mehr Menschen sollten anteilig einen höheren Deckel erhalten. Die Linke geht von 8000 Kilowattstunden für das erste und 4000 Kilowattstunden für jedes weitere Haushaltsmitglied aus. Verdi verlangt, die Kosten für den Normalverbrauch einer vierköpfigen Familie von 12.000 Kilowattstunden auf dem Niveau von 2021 zu deckeln. In der Diskussion ist ferner ein Sockelbetrag von 80 Prozent des eigenen Vorjahresverbrauchs.
Anders argumentiert der Verbraucherzentrale Bundesverband, der eine Reduzierung der Gaspreise auf EU-Ebene befürwortet, und zwar gleich beim Einkauf. Die EU könne ihre Marktmacht auf den internationalen Spotmärkten nutzen, um gegenüber den Exportländern in einer koordinierten Aktion ein Preislimit festzusetzen, lautet die Argumentation.
Dullien nennt drei Aspekte: Durch die reduzierten Kosten sinkt die gemessene Inflation - das wiederum stabilisiert die Inflationserwartungen, senkt das Risiko einer Preis-Lohn-Spirale und beruhigt Tarifkonflikte. Außerdem würden "zielgerichtet Haushalte mit Gasheizung entlastet". Drittens blieben die Anreize zum Sparen gegeben, da über dem gedeckelten Grundbedarf die Preise hoch bleiben.
Auf der anderen Seite muss ein Deckel finanziert werden - den Konzepten zufolge durch den Staat. Das könnte Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr bedeuten, was letztendlich die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen stemmen müssen. Außerdem wird auf einen hohen bürokratischen Aufwand verwiesen. hcy/ilo