Ukraine-Krise: Wie teuer wird die Gasheizung? Experten sehen Entwicklung mit wachsender Sorge

Russische Truppen in der Ukraine, Nord Stream 2 auf Eis: Angesichts der Entwicklung LageDie Lage ist frostig, nicht nur politisch.
München – Die Ukraine-Krise* hat sich deutlich zugespitzt. A, Montag gab Wladimir Putin den Marschbefehl für die russischen Truppen*. Am Dienstag stoppte die Bundesregierung Nord Stream 2, die neue Erdgas-Pipeline in der Ostsee.
Es sind beunruhigende Nachrichten für Wirtschaft und Verbraucher, die schon jetzt unter den dramatisch gestiegenen Gaspreisen leiden. Doch wie ernst steht es um die Versorgungssicherheit? Eine Analyse.
Gaspreise: Sorge um die kommende Heizsaison
„Die für uns relevanten Speicher in Bayern und Österreich sind im Schnitt zu etwa 20 Prozent gefüllt. Das ist für Ende Februar kein ungewöhnlicher Wert mehr“, sagt Detlef Fischer, Chef des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft. „Selbst wenn wir gar kein russisches Gas mehr bekämen, würden wir über den restlichen Winter kommen, wenn nicht gerade noch wochenlang sibirische Kälte über uns hereinbricht.“
Sorge bereitet ihm vielmehr die kommende Heizsaison: „Wichtig ist die Frage, zu welchen Preisen wir die Speicher im Sommer wieder auffüllen können. Diese hängen davon ab, wie viel Gas Russland liefert.“ Doch erst am Dienstag Wladimir Putin angekündigt, die Lieferungen fortsetzen zu wollen. Fließt weiter russisches Gas zu den gewohnten Konditionen, erwarten Händler langfristig eine Entspannung an den Großmärkten.
„An den Börsen kostet eine Megawattstunde Erdgas gerade um die 80 Euro. Für Lieferung im April 2023 wird aktuell ein Preis von rund 50 Euro aufgerufen. Diese Entwicklung soll sich die nächsten Jahre fortsetzen. Für das Lieferjahr 2025 beträgt der Preis heute etwa 30 Euro.“ Doch diese Erwartungen gelten nur unter den aktuellen Vorzeichen: „Niemand kann seriös Preise voraussagen, auch mit der krassen Preisentwicklung* im vorausgegangenen Herbst hat niemand gerechnet.“
Gasimporte in die EU
Russland: 48,4 Prozent
Norwegen: 18,0 Prozent
Algerien: 13,2 Prozent
USA: 5,8 Prozent
Katar: 4,4 Prozent
Nigeria: 3,4 Prozent
Großbritannien: 3,2 Prozent
Andere: 1,8 Prozent
Libyen: 1,0 Prozent
Trinidad und Tobago: 0,8 Prozent
Quelle: AFP/Eurostat, Juni 2021
Gaspreise: Erhöhung für Bestandskunden
Doch von diesen möglichen Erleichterungen würden Verbraucher erst einmal nicht profitieren: „Die Preisspitzen aus November und Dezember mussten wegen Vertragsbindungen und langfristiger Einkaufsstrategie der Versorger noch nicht vollständig auf die Kunden umgelegt werden“, sagt Detlef Fischer. Denn im Dezember waren die Gaspreise im Tageshandel auf fast 180 Euro pro Megawattstunde geklettert. Diese Kosten konnten Versorger oftmals nicht weitergeben, weil etwa Preisbindungen bestanden. Viele Versorger werden auslaufende Verträge für Aufschläge nutzen.
„Gerade Bestandskunden werden sich in den kommenden Monaten aufgrund der weiterhin hohen Preise an den Börsen also eher auf Preissteigerungen einzustellen haben.“ Doch die langfristigen Einkaufsstrategien der großen Versorger haben Verbraucher auch vor den größten Härten der Gaspreise geschont, die sich teilweise versiebenfacht hatten. Christopher Ruthner, Geschäftsführer der Stadtwerke Erding, erklärt: „Wir kaufen das Gas für unsere Stammkunden bis zu drei Jahre im Voraus, dadurch können wir auch wochenlange Preissprünge abpuffern.“
Kurzfristige Engpässe, wie sie erst kürzlich durch die Insolvenz einiger Billiganbieter entstanden, müssen aber am aktuell teuren Spotmarkt, dem Tageshandel gedeckt werden. „Am Ende werden solche Ausreißer aber durch unsere Mischkalkulation geglättet und die Kunden profitieren“, sagt Ruthner.
Eine Wette: Termingeschäfte beim Gas
So wie die Erdgasversorgung Erding halten es viele etablierte Versorger. Zu welchen Preisen Versorger in Zukunft Gas kaufen wollen, legen sie schon heute an Börsen wie der European Energy Exchange AG (EEX) fest. In Termingeschäften vereinbaren Händler und Käufer, dass am Datum X der Preis Y für eine Megawattstunde Erdgas bezahlt wird. Es ist eine Absicherung, mit der sich beide Parteien vor schwankenden Kursen schützen und besser kalkulieren können.
So lassen sich auch Kriegsängste an den Börsen abpuffern. Gleichzeitig sind es Wetten: Liegt der Preis des Termingeschäfts unter dem Preis am Stichtag, hat der Versorger einen guten Handel gemacht. Wichtig für die kommende Heizperiode sind an der EEX die Termingeschäfte für die Abschnitte Sommer und Winter 2022. Beide laufen relativ parallel.
Im Mittel rechnen die Analysten aktuell mit einem Erdgaspreis von 71 Euro pro Megawattstunde, also etwa auf dem aktuellen Niveaudem heutigen Niveau. Ob Putins Marschbefehl die Preise aus dem Takt bringt*, bleibt also noch abzuwarten.
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