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Heizen für drei Viertel der Briten bald zu teuer? Sunaks Land taumelt – „Kolossales Missmanagement“

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Von: Florian Naumann

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Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak, hier bei einer Essensausgabe für Armeeangehörige.
Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak, hier bei einer Essensausgabe für Armeeangehörige. © HENRY NICHOLLS/AFP

Großbritannien sorgt sich vor „fuel poverty“: Das Heizen wird für viele zu teuer, denn die Löhne genügen nicht mehr. Ein Experte fällt ein hartes Urteil.

München – Nicht nur die Menschen in Deutschland haben mit hohen Energiekosten zu kämpfen – auch in Großbritannien befinden sich viele Menschen in Not. Dort scheint das Problem sogar noch wesentlich größer. Ein Indiz: In London haben öffentliche, warme Aufenthaltsräume Hochkonjunktur. Darüber berichtet unter anderem der US-Sender CNN. Ein möglicher Grund ist wohl auch das real massiv gesunkene Lohnniveau im Vereinigten Königreich.

„Tausende“ sogenannte Wärmebänke hätten in Großbritannien in diesem Winter öffnet, schreibt CNN.com. Die „Warm Welcome Campaign“ kenne allein 3.000 registrierte Träger solcher Angebote. Mehr als eine Million kranke Menschen könnten in diesem Winter Kälte ausgesetzt sein und dadurch in Gefahr geraten, berichtete der Guardian vor einigen Tagen. Organisationen warnen vor neuen Erkrankungen durch das Leben in kalten und feuchten Häusern. Sogar König Charles brach am 25. Dezember mit der royalen Tradition und sprach das Thema öffentlich an.

Britannien friert: „Wir haben hier Menschen, die Vollzeit arbeiten und nicht über die Runden kommen“,

Einer der Gründe für die Misere: Nach Angaben der britischen Regierung sind die Lebenshaltungskosten seit Anfang 2021 rapide angestiegen. Am 31. Dezember 2020 war die Übergangsphase des Brexit ausgelaufen. Im November 2022 taxierte die Verwaltung die Inflationsrate auf 10,1 Prozent. Aktuell sind die Energiekosten ein Hauptfaktor: Binnen eines Jahres sind laut CNN allein die Gaspreise um 129 Prozent in die Höhe geschnellt. Zugleich sei Großbritannien die einzige G7-Volkswirtschaft, die nach wie kleiner ist, als vor der Corona-Krise.

„Gerade in diesem Winter ist es extrem wichtig, dass wir einen Raum anbieten, damit die Menschen zuhause alles abschalten und Geld sparen können“, sagte eine Ehrenamtliche aus der Stadt Norwich in Ostengland dem Sender. „Wir haben hier Menschen, die Vollzeit arbeiten und nicht über die Runden kommen“, fügte sie hinzu. „Das ist der eigentliche Unterschied.“

Nach Berechnungen der Universität von York könnten zum neuen Jahr mehr als drei Viertel der Haushalte auf der Insel finanziell nicht mehr in der Lage sein, ihr Heim adäquat zu beheizen. Diese Prognose stammt allerdings noch aus dem August.

Großbritannien in Not? Löhne sinken womöglich auf Niveau von 2006 – Streiks am laufenden Band

Die Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers zeichnet zugleich ein düsteres Bild mit Blick auf die andere Seite der Medaille: die Lohneinkünfte der Briten. Inflationsbereinigt könnten die Löhne 2023 auf das Niveau von 2006 fallen, berechneten die Experten in einer von CNN veröffentlichten Studie. Real nehme der Einkommen wohl sowohl in 2022 als auch im neuen Jahr ab.

Tatsächlich laufen bereits seit einiger Zeit Streiks. Auch am 2. Weihnachtsfeiertag wird es Ausstände geben: Die Mitarbeiter des Grenzschutzes wollen an den Flughäfen die Arbeit niederlegen. Das Fest ist ohnehin von den Streiks überschattet. Weil die Beschäftigten der Royal Mail seit Wochen immer wieder die Arbeit niederlegen, haben zahlreiche Menschen keine Weihnachtspost oder Päckchen erhalten. Streiks bei der Bahn und bei den Grenzbeamten erschweren Verwandtenbesuche. Auch in vielen anderen Branchen kommt es derzeit immer wieder zu Streiks, etwa im Gesundheitsdienst. Und womöglich kommt es im neuen Jahr noch schlimmer.

Briten vor hausgemachten Problemen: „Missmanagement kolossalen Ausmaßes“

Michael Marmot, Direktor des Instituts für sozial bedingte gesundheitliche Unterschiede am University College London, unterstreicht die Schwere des Problems. „Die Armut hat sich über die letzten zehn, zwölf Jahre aufgebaut und verschärft sich“, sagte er CNN. Dass sich Großbritannien wirtschaftlich noch nicht von Corona erholt habe, zeige ein „Missmanagement kolossalen Ausmaßes“.

Marmot sieht das Problem zumindest in Teilen als hausgemacht an. Jahre von Austerität, dürftigen Hilfsleistungen, Einschnitten bei der öffentlichen Wohlfahrt und Infrastruktur sowie ein Mangel an Regulierung auf dem Energiemarkt hätten Millionen Menschen nun in Probleme bei der Versorgung mit Wärme gestürzt. Sunak blamierte sich unterdessen zu Weihnachten bei einem Gespräch mit einem Obdachlosen, wie fr.de berichtete. (fn mit Material von dpa)

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