Habecks Flüssiggas-Pläne wecken Befürchtungen: „Keine schippernden Bomben“

Im Winter könnte es bei der Gasversorgung eng werden. Wirtschaftsminister Habeck setzt unter anderem auf LNG, das mit Gas-Tankern verschifft wird. Doch die Infrastruktur birgt Risiken.
Berlin – Mit umfangreichen Maßnahmen will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Gasverbrauch in Deutschland senken und auf die Drosselung russischer Lieferungen reagieren. Damit soll eine schwere Gaskrise verhindert werden – vor allem mit Blick auf den Winter und den Beginn der Heizperiode.
Habeck: Ausbau von LNG-Terminals in Deutschland
Neben der Reaktivierung von Kohlekraftwerken soll für die Zukunft der Import von Flüssiggas (LNG) eine wichtige Rolle spielen. Aktuell sind vier schwimmende LNG-Terminals vorgesehen, von denen je eines in Wilhelmshaven und in Brunsbüttel bis Jahresende in Betrieb gehen sollen, die anderen beiden im Frühjahr 2023. Als Standorte im Gespräch sind Stade und Hamburg sowie Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern, wo für Nord Stream bereits viel Gas-Infrastruktur vorhanden ist.
Zudem sind für die kommenden Jahre mindestens zwei stationäre LNG-Terminals geplant. Als Standorte werden Stade und Brunsbüttel sowie Wilhelmshaven genannt. Sie sollen später dann auch für Wasserstoff genutzt werden können. Möglich sind auch Importe aus LNG-Terminals anderer EU-Staaten.
LNG und Gas-Tanker: Was passiert bei einer Explosion?
Dabei wird das LNG mithilfe von Gas-Tankern aus Ländern wie den USA, Katar oder Israel nach Deutschland oder anderen europäischen Ländern mit LNG-Terminals verschifft. Bei Umweltschützern stößt dieses Vorgehen auf Kritik: Das Flüssiggas ist nämlich noch klimaschädlicher als das Erdgas, das über die Pipelines transportiert wird.
Dazu kommen immer mehr Sicherheitsbedenken. Beim größten LNG-Exporteur USA tobt eine Sicherheits-Debatte um die Förderung und Infrastruktur des Rohstoffes, und zwar nicht erst seit einer großen Explosion in einer Flüssiggas-Großanlage in Texas Anfang Juni. An den Küsten der USA kämpften die Anwohner gegen LNG-Projekte.
Menschen, die nahe einer Flüssiggasanlage im Süden des US-Bundesstaates Louisiana leben, beklagten in einem aktuellen Bericht der Tagesschau, wie sehr sie die Umweltbelastungen beeinträchtigen. Die Luft stinke oft nach Schwefel, das Atmen falle an manchen Tagen schwer. Dazu gibt es Sicherheitsbedenken. Was passiert bei einer Explosion?
Experte: „LNG-Tanker sind keine schippernden Bomben“
Diese Frage treibt auch eine Bürgerinitiative im walisischen Milford Haven um. Dort soll ein LNG-Terminal gebaut werden. Die Befürchtung, die der Leiter der Bürgerinitiative in einem älteren Spiegel-Artikel äußerte: Im Fall einer Schiffskollision könnte das verpuffte Gas Feuer fangen und die ganze Stadt in Brand setzen. Tatsächlich würden die Gas-Tanker an einem Anleger mitten in der stark befahrenen Hafeneinfahrt von Milford Haven anlegen.
„Der Betreiber und die Genehmigungsbehörden haben keine ausreichende Risikobewertung gemacht“, findet die Bürgerinitiative laut dem Bericht. Gerd-Michael Würsig, LNG-Experte des Germanischen Lloyds, einer Art TÜV für Schiffe, hielt im Spiegel dagegen: „LNG-Tanker sind keine schippernden Bomben.“ Eine Explosion sei extrem unwahrscheinlich, weil dafür viele Faktoren zusammenkommen müssten.
LNG: Ein Leck kann das ganze Schiff in Brand setzen
Das Fachmagazin Markt und Mittelstand berichtet von einer Tagung in Duisburg, dem größten Binnenhafen Europas, zu dem Thema. Das Horror-Szenario: Eine Schiffskollision schlägt ein Leck in den LNG-Tank, das tiefkalt verflüssigte Erdgas tritt aus und verdampft. Trifft die Dampfwolke auf eine beliebige Zündquelle, setzt sie mit einer Explosion alles in Brand – das Schiff inklusive.
Laut dem Rotterdamer Feuerwehrspezialisten Brian Paul Mo-Ajok sei zwar viel Kraft nötig, um durch den Tank durchzuschlagen. Aber mit einer Waffe, die auch gegen Panzer eingesetzt werden kann, dürfte das möglich sein. In so einem Fall explodiert dann entweder gleich das ganze Schiff oder ein Lachenbrand schneidet unter Umständen Fluchtwege für die Schiffsbesatzung und Rettungsmannschaften ab, berichtet Markt und Mittelstand. Zudem bestehe in so einem Fall Erstickungsgefahr.
Terroristen nutzen das Problem schon für ihre Ziele: Die islamistische Miliz Hisbollah im Libanon drohte Israel kürzlich mit Angriffen, um die LNG-Förderung und den Transport zu verhindern. Konkret bedrohten sie kürzlich einen Gas-Tanker, der dem britischen Unternehmen Energean gehört und Gas in von beiden Ländern beanspruchten Seegebieten fördern soll. (lma/dpa)