Kommentar zum Corona-Gipfel: Gebt dem Handel endlich eine Chance

Lockdown-Verlängerungen, ausbleibende Hilfsgelder, willkürliche Einordnungen: Im Handel wächst die Fassungslosigkeit über den Corona-Schlingerkurs von Bund und Ländern.
München - Die Lage im stationären deutschen Einzelhandel ist desaströs. Während Online-Versender sich vor Bestellungen kaum retten können, bluten Modehäuser, Boutiquen und Schuhgeschäfte einfach aus. Alleine seit Beginn des zweiten Lockdowns Mitte Dezember fehlen vielen Betrieben über 80 Prozent ihres Umsatzes. Manche Händler, resümiert etwa der Chef des niederbayerischen Modehauses Garhammer, Christoph Huber angesichts der monatelangen Zwangsschließungen ernüchtert, würden von der Politik einfach „zum Schafott geführt“.
Doch Besserung ist kaum in Sicht – im Gegenteil. Statt des von der Branche sehnsüchtig erwarteten Lockdown-Endes zum 8. März sollen die Läden nun offenbar sogar bis zum 28. März geschlossen bleiben, heißt es in der aktuellen Fassung des Arbeitspapiers zum Corona-Gipfel am Mittwoch.
Aber auch das gilt nicht für alle. Buchhandlungen, Blumengeschäfte oder Gartencenter werden laut Entwurf künftig kurzerhand dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zugerechnet und könnten daher bereits ab Montag wieder öffnen. Den betroffenen Inhabern sei das von Herzen gegönnt. Aber es wirft auch ein paar kritische Fragen auf, zum Beispiel, ob die Zuordnung eher willkürlich ist. Und warum bitteschön soll das Einkaufen im Buchladen ansteckender sein als in der Parfümerie nebenan?
Kommentar: Macht die Läden wieder auf
Tragfähige Konzepte für eine generelle Öffnung gibt es längst. Erst vor wenigen Tagen hat die Branchen-Initiative „Das Leben gehört ins Zentrum“ ein 7-Punkte-Konzept vorgelegt. Neben klaren Zugangsbeschränkungen gehören dazu auch umfassende Hygienemaßnahmen, Kundenleitsysteme oder regelmäßige Mitarbeiter-Schulungen.
Auch von der Wissenschaft gibt es längst grünes Licht. Das Risiko, sich im Sportgeschäft oder beim Herrenausstatter mit Covid-19 anzustecken, sei praktisch genauso hoch wie im Supermarkt, heißt es etwa in einer aktuellen Studie der TU Berlin zur Ansteckungsgefahr über Aerosolpartikel vom Februar. Die Berechnungen gehen von einer Zugangsbeschränkung von 10 Quadratmetern pro Person aus. Bei geringeren Kundenzahlen würde das Risiko entsprechend sinken.
Wenn der Handel sich strikt an die Hygiene-Konzepte hält und sie gemeinsam mit den Behörden auch konsequent durchsetzt, stünde einer Öffnung bei überschaubaren Inzidenzen also eigentlich nichts mehr im Wege. Jetzt muss die Politik endlich liefern - sonst gehen bei vielen Betrieben endgültig die Lichter aus.