„Schlimmstenfalls keine Semmeln mehr“: Hofpfisterei-Chefin wegen Gas-Krise in großer Sorge

Lebensmittel gehören nicht zur kritischen Infrastruktur. Damit könnten Stadtwerke den Unternehmen den Gashahn abdrehen, warnt Hofpfisterei-Chefin Nicole Stocker - mit weitreichenden Folgen.
München – Die drohende Gas-Knappheit sorgt bei vielen Unternehmen für wachsende Nervosität. Auch bei der Münchner Traditionsbäckerei Hofpfisterei wächst die Sorge. „Anders als in der Corona-Krise gehören Lebensmittelhersteller wie Bäckereien nicht zur kritischen Infrastruktur. Sollte es wegen des Ukraine-Kriegs zu einer Gas-Mangellage kommen, könnten uns die Stadtwerke München das Gas abdrehen. Dann müssten wir unser Sortiment drastisch zusammenstreichen“, sagte Hofpfisterei-Chefin Nicole Stocker Merkur.de.
Erst am Montag hätten Vertreter der SWM bei einem persönlichen Termin vor dem Risiko einer möglichen Lieferunterbrechung bei Gas gewarnt und auf die bestehende Rechtslage im Notfallplan Gas verwiesen. Die Stadtwerke haben zuletzt auch andere Großkunden auf mögliche Liefereinschränkungen bei Ausrufung der Notfallstufe eingestellt.
Laut Notfallplan Gas kann der Staat dann Erdgas rationieren. Damit müssten Stadtwerke und andere Versorger die Gaslieferung an Unternehmenskunden womöglich einstellen. Ausnahmen gelten bislang nur für die Bereiche der kritischen Infrastruktur. Dazu zählen Krankenhäuser, Altenheime, Polizei oder Feuerwehr. Zudem sollen private Haushalte bevorzugt beliefert werden. Industrie-Unternehmen oder Handwerksbetriebe gehören nicht dazu.
Gas-Krise: Nord Stream 1 Wartung verstärkt Sorgen um dauerhaften Gas-Lieferstopp
Die Furcht vor einem Lieferstopp war zuletzt deutlich gestiegen. Seit Montagmorgen wird die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 gewartet. Damit fließt aktuell kein Gas mehr nach Deutschland. Beobachter befürchten, dass der Kreml auch nach Abschluss der Arbeiten kein Gas liefert.
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Gas-Krise: Zwei Hofpfisterei-Backöfen lassen sich auch mit Öl betreiben
Für viele Unternehmen hätte ein Gaslieferstopp gravierende Folgen. Auch bei der Hofpfisterei drohten dann wohl tiefe Einschnitte. Das Münchner Traditionshaus betreibt in seiner Zentrale in der Münchner Kreittmayrstraße drei große Brot-Backöfen. Zwei der Produktionsanlagen in der Landeshauptstadt ließen sich statt mit Gas auch mit Öl betreiben, sagt die Unternehmenschefin. Beim dritten Ofen besteht diese Möglichkeit nicht.
Auch am Standort im fränkischen Lauf an der Pegnitz betreibt das Unternehmen einen reinen Gasofen für die Produktion der übrigen Backwaren. Sollte es tatsächlich zu einer Lieferunterbrechung bei Gas kommen, würde die Anlage stillstehen. „Dann könnten wir keine Backwaren wie Semmeln oder süße Teilchen produzieren und müssten unser Angebot entsprechend reduzieren.“
Die Brotherstellung am Firmensitz in München könnte hingegen dank der Ölbrenner und der Erweiterung der Öltanks und der Notstromaggregate weiterlaufen. Zwar müsste man bei einem Gasstopp keine Abstriche bei der Brotanzahl machen, doch müsste man das Brotsortiment dann reduzieren, sagte Stocker.
Gas-Krise: Hofpfisterei-Chefin appelliert an Politik
Angesichts der drohenden Beschränkungen drängt die Unternehmerin daher auf eine schnelle Änderung der Rechtslage: „Ich appelliere an den Gesetzgeber: Lebensmittel sind systemrelevant und gehören damit eindeutig zur kritischen Infrastruktur.“ Berlin müsse jetzt „schnellstmöglich“ reagieren. Sonst drohe den Haushalten in Deutschland nicht nur ein kalter Winter, sondern auch noch leere Regale in Bäckereien und Supermärkten. „Das darf nicht sein.“ Es gehe hier„nicht nur um den Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern insbesondere um die Ernährung der Bevölkerung.“
Immerhin: In Berlin ist das Problem bekannt. Der Handelsverband HDE stehe dazu mit „allen politisch Verantwortlichen und der Bundesnetzagentur im Austausch“, versicherte ein Verbandssprecher am Mittwoch Merkur.de. Es gebe dabei „eindeutige Signale“, dass der Lebensmittelhandel zur kritischen Infrastruktur gehöre, „die unter allen Umständen versorgt werden wird“. (utz)