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Zoff um günstigen Industriestrom: Habeck will Milliarden, Lindner bremst

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Von: Lisa Mayerhofer

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Der Ampel droht der nächste Zoff: Wirtschaftsminister Robert Habeck will einen Strompreisdeckel für Unternehmen. Finanzminister Lindner legt sich quer.

Berlin – Es gibt einen neuen Streit in der Ampel-Koalition: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt sich für einen verbilligten Strompreis für die Industrie ein. Doch Finanzminister Christian Lindner (FDP) bremst das kostspielige Vorhaben, mit dem Habeck Deutschland als Wirtschaftsstandort stärken will.

Habeck über hohe Strompreise: „Verlieren womöglich Industrien der Zukunft“

Habeck geht mit seinem Vorschlag eines Strompreisdeckels für Unternehmen auf die Klagen aus der deutschen Industrie ein. Deutschland liegt mit einem Industriestrompreis von durchschnittlich 20 Cent je Kilowattstunde am oberen Ende der Skala in Europa – im internationalen Wettbewerb ist das ein großer Standortnachteil.

„Die ganze Wirtschaft redet derzeit intensiv über einen Industriestrompreis – und ich denke, dass wir das machen müssen“, sagte Habeck am Freitagabend im Talk „RND vor Ort“ des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Wenn wir die Preise deckeln, verlieren wir Geld“, führte der Minister weiter aus. „Wenn wir sie nicht deckeln, verlieren wir womöglich die Industrien der Zukunft“, argumentierte Habeck. Er sagte, es gehe um einen Zeitraum von vier oder fünf Jahren.

Sind sich nicht in allem einig: Bundeswirtschafsminister Robert Habeck (Grüne, re.) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt sich für einen verbilligten Strompreis für die Industrie ein, doch Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist skeptisch. © IMAGO/Christian Spicker

Informationen des Handelsblatts zufolge kalkuliert Habecks Ministerium mit Kosten in Höhe eines „niedrigen zweistelligen Milliardenbetrags über fünf Jahre“ – unter der Annahme, dass der Strompreisdeckel auf energieintensive Branchen begrenzt wird.

Habecks Strompreisdeckel für die Industrie: SPD dafür

Die SPD zeigt sich offen für Habecks Vorhaben – und will dieses sogar so schnell wie möglich umsetzen. „Der vergünstigte Strompreis für die Industrie muss so schnell wie möglich kommen“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Manche Leute reden vom Jahr 2030, es geht aber um die nächsten zwölf Monate“, fügte er hinzu.

Klingbeil schlägt dabei vor, den Industriestrompreis aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds zu finanzieren. „In der Krise haben wir richtigerweise beschlossen, 200 Milliarden Euro für die Gas- und Strompreisbremse bereitzustellen“, sagte er. Das Programm solle „den Privathaushalten helfen, aber eben auch den Unternehmen“. Ob der Preis am Ende fünf oder sieben Cent je Kilowattstunde betrage, werde sich zeigen, sagte der SPD-Vorsitzende.

Lindner skeptisch – aus mehreren Gründen: „Wo ist die Grenze?“

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich zur Finanzierung allerdings bereits skeptisch geäußert. So sagte Lindner zuletzt in einem Interview der Wirtschaftswoche, auf der einen Seite würden die Energiepreise durch politische Entscheidungen nach oben getrieben. Auf der anderen Seite sollten sie für einen Teil der Wirtschaft subventioniert werden.

Der Finanzminister fragt in dem Magazin: „Wo ist die Grenze? Was macht das für den Wettbewerb zwischen Industrie und Mittelständlern, die keinen Industriepreis bekommen? Wie viel Geld soll das beanspruchen?“ Stattdessen plädiert Lindner für „marktwirtschaftliche Lösungen“ wie langfristige Lieferverträge. Sie sollen einerseits dem Großabnehmer Preisgarantien und dem Erzeuger etwa von Windstrom Investitionssicherheit bieten.

Zudem möchte Lindner nicht das Geld aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds nutzen, wie von Klingbeil vorgeschlagen. Denn die Milliardenschulden für den Fonds wurden unter der Bedingung aufgenommen, dass man die Mittel nicht für andere Zwecke nutzen dürfe, so das Finanzministerium. Eine Umwidmung sei rechtlich nicht möglich. Die Verwendung sei ausschließlich für vorher festgelegte Maßnahmen möglich – wie etwa die Gas- und Strompreisbremse oder Stützungsmaßnahmen für Unternehmen.

Klingbeil zum Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds: „Das ist ja kein anderer Zweck“

Klingbeil nannte dagegen Lindners Haltung, das Sondervermögen nicht für andere Zwecke zu verwenden, unverständlich. „Das ist ja kein anderer Zweck“, sagte der SPD-Chef. „Wir haben damals schon gesagt, diese 200 Milliarden Euro sind auch dafür da, durch industriepolitische Unsicherheiten hindurchzukommen“, fügte er hinzu. Für die Gas- und Strompreisbremse würden die 200 Milliarden Euro nicht benötigt – tatsächlich wurden viel weniger Mittel abgerufen als eingeplant. „Umso wichtiger ist es, das Geld jetzt für unsere Wettbewerbsfähigkeit zu investieren“, sagte Klingbeil.

Zustimmung kam auch von Vertretern von Arbeitgebern und -nehmern. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, sagte: „Minister Habeck liegt richtig, wenn er die deutsche Industrie vor dem Ausbluten schützen will.“ IG-Metall-Chef Jörg Hofmann argumentierte, ein international konkurrenzfähiger Strompreis für die energieintensive Industrie sei lange überfällig.

Mit Material der dpa und AFP

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