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Ehemaliger Notenbanker Issing: „EZB hat Lage offenbar nicht unter Kontrolle“

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Von: Lisa Mayerhofer

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Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt und ehemaliges Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (Archivbild)
Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt und ehemaliges Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (Archivbild) © Arne Dedert/dpa

Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich gegen die Rekordinflation. Otmar Issing, ehemaliges Direktoriumsmitglied der EZB, sieht darin zum Teil auch ein Versagen der Währungshüter.

Frankfurt – Der Ukraine-Krieg und die galoppierenden Energiepreise stellen 2022 die Europäische Zentralbank (EZB) vor große Herausforderungen. Die Währungshüter stemmen sich mit kräftigen Zinserhöhungen gegen die Rekordinflation. Gleichzeitig erlebt der Euro einen rapiden Wertverfall und fiel in den vergangenen Wochen auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren.

Issing: Die EZB hätte früher aus dem Krisenmodus aussteigen müssen

Laut dem Ökonomen Otmar Issing trägt die EZB auch eine Mitschuld an der derzeitigen Lage. Issing ist ehemaliger Chefvolkswirt und ehemaliges Direktoriumsmitglied der EZB. Er war 1998 maßgeblich am Entwurf der geldpolitischen Strategie der Währungshüter beteiligt. 

Die EZB hätte diesen Anstieg der Energiepreise zwar als äußerlichen Schock „in dieser Dimension nicht vorhersehen“ können, sagte der Ökonom gegenüber Focus.de. Für ihn liege „das eigentliche Versagen der EZB“ noch viel weiter zurück. Denn: „Spätestens ab dem Sommer letzten Jahres hätte die EZB aus dem Krisenmodus aussteigen müssen“, so Issing.

Seiner Meinung nach seien die Währungshüter viel zu lange in einem Krisenmodus stecken geblieben, den sie nach der Finanzmarktkrise 2008 eingeleitet und „in der Pandemie noch einmal verstärkt“ hatten. „Dieser Krisenmodus ließ sich aber schon längst nicht mehr rechtfertigen. Es war also unvermeidlich, dass ein Festhalten an einem derart expansiven Kurs, wenn sich die Wirtschaft schon längst deutlich erholt hat, irgendwann den Preisdruck verschärfen wird“, erklärt der Ex-EZB-Banker focus.de.

Ex-EZB-Banker: „Der Wertverfall des Euro geht mir sehr nahe“

Und jetzt? Issing meint, dass die EZB die Lage offenbar nicht unter Kontrolle habe. Denn: „Im September sind die Produzentenpreise in Deutschland erneut gegenüber dem Vorjahr um 45,8 Prozent gestiegen. Ähnlich hoch liegt die Rate für den ganzen Euro-Raum. Das heißt, hier ist noch einiges an Preisdruck in der Pipeline“, sagte er dem Online-Portal.

Der Wertverfall des Euro gehe ihm sehr nahe, gestand der 86-jährige Ökonom. „Ich habe immer betont, dass der Euro so stabil sein wird wie die D-Mark.“ Dafür sei er oft sogar belächelt worden. Aber: „In den ersten 25 Jahren seiner Existenz schnitt der Euro, an der Inflationsrate gemessen, ja auch hervorragend ab.“ Damit sei es jetzt vorbei – „leider allzu deutlich.“

Mit Material der dpa

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