Wer profitiert von der Rentenerhöhung?
Wer eine Rente von knapp 2000 Euro hat, bekommt durch die Erhöhung ab Juli pro Monat auch rund hundert Euro mehr. Ich freue mich auch für jeden, dessen Rente so jetzt noch einmal aufgestockt wird. Aber für Senioren, die mit einer kleinen Rente kämpfen, fällt die Erhöhung kaum ins Gewicht. Die Durchschnittsrente der Frauen liegt bei 774 Euro. Ab Juli gibt’s also 41,50 Euro mehr für sie. Die Inflation frisst dieses Plus aber doch sofort auf. Miete, Strom, öffentlicher Verkehr, Lebensmittel und Hygieneartikel – das alles wird teurer und teurer.
Sie halten die Rentenerhöhung also für einen Tropfen auf den heißen Stein?
Sie ist nicht einmal ein Tropfen, eher Augenwischerei. Diejenigen, deren Rente so gering ist, dass sie Grundsicherung erhalten, merken von den 5,35 Prozent schließlich gar nichts. Die Erhöhung wird zwar verrechnet, den Betroffenen bleiben aber weiter nur 449 Euro zum Leben. Wer Grundsicherung erhält, bekommt vom Staat die Miete bezahlt, ist von der Rundfunkgebühr befreit und erhält Essen bei den Tafeln. Wer auch nur zwei Euro „zu viel“ Rente erhält, hat keinen Anspruch auf Grundsicherung.
Wie helfen Sie?
Als Akuthilfe unterstützen wir Menschen zum Beispiel mit Supermarkt-Gutscheinen. Vergangenes Jahr haben wir die im Wert von 292.000 Euro verteilt. Den Verein habe ich 2003 gegründet, als ich eine Dame in der Nachbarschaft jeden Tag, Sommer wie Winter, mit den gleichen abgetragenen Schuhen beobachtet habe. Rein um neue Schuhe oder Winterjacken geht es den Menschen aber schon lange nicht mehr. Heute wenden sie sich an uns, weil ihr Kühlschrank leer ist. Sie essen lieber nichts, um den Strom bezahlen zu können.
Lichtblick gibt es seit 19 Jahren. Hat sich die Not in letzter Zeit verschärft?
Ja. Und das ist erschreckend, weil wir in einem reichen Land leben. Letztens hatte ein Rentner am 20. des Monats nur mehr 1,50 Euro im Geldbeutel und weder Geld für Essen noch Medikamente. Im Herbst haben wir bergeweise Decken gekauft und verteilt. Viele Senioren trauen sich inzwischen nicht mehr, ihre Wohnung zu heizen. Sie haben panische Angst vor horrenden Nachzahlungen. Seit acht Wochen ist es ganz extrem: Senioren rufen verzweifelt an und bitten um Essensgutscheine. Alleine in München gehen täglich bis zu zehn neue Anträge ein.
Ökonomen rechnen weiter mit Preissteigerungen für Energie und Lebensmitteln.
Da wird mir angst und bange – auch, weil ich weiß, dass es viele arme Senioren gibt, die sich noch versteckt halten. Die Scham und auch der Stolz der Menschen ist groß. Nur einer von drei wendet sich an das Sozialamt.
Wenn die Rentenerhöhung für sozial schwachen Senioren nicht viel hilft – was müsste der Staat tun?
Altersarmut ist häufig weiblich. Viele Frauen bekommen keine Grundrente, weil sie wegen Kindererziehung oder Angehörigenpflege nicht volle 33 Jahre lang gearbeitet haben. In Zukunft müsste man hier ansetzen und zudem das Rentenniveau insgesamt deutlich erhöhen. Auch wer heute als Pflegekraft oder Verkäufer arbeitet und wenig verdient, sollte doch hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können.
Interview: Cornelia Schramm *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA