Mittel- und langfristig bleibt die Preisstabilität exklusiv eine Frage der Geldpolitik. Deren Mandat wird jedoch in Zeiten hoher Verschuldung, alternder Bevölkerung und einer ambitionierten Dekarbonisierungspolitik schwieriger.
In den 2020er Jahren schwächt die demografische Entwicklung zunehmend die Wachstumskräfte. Schon im kommenden Jahr überschreiten wir hierzulande den Zenit bei den Erwerbspersonen. Während dann immer weniger Menschen produktiv tätig sind, bleibt die Zahl der Konsumenten zunächst unberührt. Im Ergebnis sinkt die Ersparnis und das Kapitalangebot geht zurück. Dieser Befund ist keine deutsche Besonderheit, sondern gilt für weite Teile der Weltwirtschaft.
Ebenfalls global wirkt sich – wenn sie erfolgreich sein soll – die Klimapolitik auf den Kapitalmärkten aus. Die Umstellung der Produktion auf weniger Treibhausgasemissionen erfordert massive Investitionen, erhöht also die Kapitalnachfrage. Hinzu kommt, dass diese Investitionen auf absehbare Zeit die Produktionskapazitäten nicht erhöhen, sondern „nur“ emissionsfrei machen. Sie bauen den Kapitalstock um, nicht auf, wie man es sonst von Investitionen kennt.
Die gesamtwirtschaftliche Rendite winkt im Erfolgsfalle frühestens in 20 Jahren, bis dahin schmälern sich im Zuge der Dekarbonisierung die Konsummöglichkeiten. Klimapolitik ist daher auf absehbare Zeit gerade kein Wachstumsprogramm, sondern strapaziert die Produktionskapazitäten. Daher gilt auch: Wie immer man die Umgehung der bisherigen Schuldenbremse durch die neue Bundesregierung juristisch beurteilen mag, stabilisierungspolitisch passen die höheren Defizitspielräume nicht in die gesamtwirtschaftliche Landschaft.
Weniger Angebot, mehr Nachfrage – am Kapitalmarkt sorgen Demografie und Dekarbonisierung für höhere Zinsen. Wenn nun die Notenbanken den von der zunehmenden Kapitalknappheit herrührenden Zinsanstieg in ihrer Geldpolitik mit Rücksicht auf die hohe Verschuldung und – damit zusammenhängend – aus Sorge vor einer neuen Finanzkrise nicht nachvollziehen, entlädt sich die Überforderung der Produktionsmöglichkeiten in höherer Inflation.
Dieses Szenario beschreibt ein Risiko, keine Zwangsläufigkeit. Erst eine ausbleibende Reaktion der Geldpolitik öffnet die Inflationsschleusen. Weder Alterung noch Dekarbonisierung („Greenflation“) sind für sich genommen Inflationstreiber – sie ändern nicht das Preisniveau, sondern Relativpreise.
Preisstabilität bleibt ohne Wenn und Aber in der Verantwortung der Notenbanken, aus der man sie auch nicht entlassen sollte. Es wäre allerdings die Aufgabe der Finanzpolitik, ihnen diese Aufgabe nicht unnötig zu erschweren. Speziell für den Euroraum bedeutet dies, die Überschuldungsproblematik fiskalisch zu lösen und so die EZB aus der fiskalischen Dominanz zu befreien.
Zur Person: Prof. Stefan Kooths ist Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft und Direktor des dortigen Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum. Er lehrt Volkswirtschaftslehre an der BSP Business and Law School in Berlin/Hamburg und ist Vorsitzender der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft.
*Merkur.de ist Teil von IPPEN.MEDIA.