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Sollen Beamte in die Rentenkasse einzahlen? Forscher: „Wäre kein gutes Geschäft“

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Von: Sebastian Horsch

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Lehrerin an der Tafel
Verbeamtung als Lockmittel: Die Länder stehen im Wettbewerb um Lehrkräfte. © Sebastian Gollnow/dpa

Das Rentensystem in Deutschland steht unter Druck. Doch würden Beamte als Beitragszahler das System entlasten? Ein Experte klärt auf.

München – Mehr Alte, weniger Junge: Der demografische Wandel setzt das Rentensystem unter Druck. Immer wieder wird deshalb gefordert, auch Beamte als Beitragszahler in die Rentenversicherung einzugliedern. Unsere Zeitung hat nachgefragt bei Reinhold Thiede, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung der Deutschen Rentenversicherung.

Herr Thiede, wäre unser Rentensystem finanziell stabiler, wenn man die Beamten eingliedern würde?

Wenn man alle Beamten schlagartig mit einbezieht, sodass die Rentenversicherung auch für die Versorgung derer aufkommen muss, die bereits im Ruhestand sind, wäre das ein sehr schlechtes Geschäft. Die Pensionen sind im Schnitt höher als die Renten. Wir müssten also sehr viel mehr bezahlen.

Wie ginge es besser?

In Österreich werden alle, die ab einem Stichtag neu verbeamtet wurden, in die Sozialversicherung eingegliedert, wer an dem Stichtag bereits Beamter war, bleibt im bisherigen System. Ein solcher langsamer Übergang würde die Rentenversicherung aktuell leicht entlasten. Allerdings entstehen so auf lange Sicht auch neue Rentenansprüche der Beamten, die in Zukunft erfüllt werden müssen. Man müsste das genau prüfen, aber ausgehend von der derzeit höheren Lebenserwartung von Beamten kann man vermuten, dass auch das am Ende kein gutes Geschäft für die Rentenversicherung wäre. Alles in allem betrachtet würde ich sagen: Die finanzielle Stabilität der deutschen Rentenversicherung würde durch eine Eingliederung der Beamten langfristig nicht verbessert.

Es gäbe auch nicht weniger Altersarmut?

Beamte im Ruhestand sind in aller Regel nicht altersarm. Und die Renten würden durch die Eingliederung der Beamten auch nicht steigen. Aber – und hier kommt ein Argument für eine Vereinheitlichung – die Akzeptanz des Systems könnte zunehmen, wenn alle in einem Boot säßen. Und innerhalb eines Systems ließen sich Solidarmaßnahmen zugunsten von Menschen mit einem niedrigeren Einkommen leichter begründen und legitimieren.

Deutsches Rentensystem unter Druck: Beamte machen Rente nicht stabiler

Während Rentner nach 45 Arbeitsjahren im Durchschnitt 1.600 Euro brutto bekommen, liegt die Durchschnittspension bei 3.200 Euro

Ja. Ich glaube allerdings nicht, dass in diesen Durchschnittswerten das Kernproblem liegt, denn die Unterschiede lassen sich zumindest teilweise begründen. Zum einen hat die Pension quasi eine Doppelfunktion – sie ist sozusagen Pflichtabsicherung und betriebliche Altersversorgung in einem. Dazu kommt ein deutlich höherer Durchschnitt bei den Qualifikationen. Salopp gesagt: Es gibt keine Beamten im Niedriglohnsektor. Das hat natürlich auch Einfluss auf den Durchschnittswert. Und die Beamtenpension hängt im Wesentlichen vom letzten – also in der Regel höchsten – Gehalt ab. Die Rente orientiert sich hingegen am Durchschnittsgehalt eines Erwerbslebens, das meist deutlich niedriger ist.

Müsste der Staat hier mehr auf Fairness achten?

Der Gesetzgeber hat es immer wieder versucht. Als in den frühen 2000er-Jahren zum Beispiel beschlossen wurde, das Rentenniveau langsam abzusenken, wollte man ein vergleichbares Verfahren für die Beamten anwenden. Aber in zwei verschiedenen Systemen ist es eben schwierig, das so zu machen, dass es zum gleichen Ergebnis führt. Darüber hinaus gab es in Deutschland auch mal den Ansatz, einfach weniger Berufsgruppen zu verbeamten. Nur hat sich das angesichts des Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst wieder umgekehrt. Denn wer als Bundesland beispielsweise seine Lehrer nicht mehr verbeamtet, verliert sie an das Nachbarland. Auch bei einer Eingliederung der Beamten bestünde die Gefahr, dass am Ende nicht das rauskommt, was man wollte.

Deutsches Rentensystem: Sollten wir uns ein Beispiel an Österreich nehmen?

Sie haben Österreich als Beispiel angeführt. Dort werden Beamte eingegliedert und die Renten sind höher als in Deutschland. Warum machen wir es nicht auch so?

Dass die Renten in Österreich höher sind, hat nichts mit der dort 2005 begonnenen Eingliederung der Beamten zu tun. Die Leistungen der Rentenversicherung wurden dabei nicht verändert. Unsere Nachbarn leisten sich vielmehr seit Langem schon ein etwas komfortableres Rentensystem. Sie akzeptieren dafür aber auch deutlich höhere Beiträge als in Deutschland. Schon heute liegt der Beitragssatz in Österreich bei 22,8 Prozent, also über vier Prozentpunkte über dem in Deutschland.

Was glauben Sie: Werden Beamte und Angestellte in Deutschland in 20 Jahren in dasselbe Altersvorsorge-System einzahlen?

Es wird sicher Veränderungen geben. Vielleicht geht man erste Schritte. Aber, dass alle Beamten in 20 Jahren in die Rentenversicherung einzahlen, glaube ich nicht. Und das sage ich übrigens als Angestellter.

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