Allerdings ist genau die Rolle als Anhängsel eine Befürchtung vieler Beschäftigter. Das deutsch-schwedische Misstrauen hat eine lange Vorgeschichte: Sie begann, als der damalige MAN- und heutige Volvo-Chef Håkan Samuelsson, der von Scania zu MAN gewechselt war, ansetzte, Scania-Aktien zu kaufen. Ein Übernahmeangebot Samuelssons scheiterte letztlich am Widerstand der damaligen Scania-Aktionärsfamilie Wallenberg.
Nun kam Volkswagen, selbst Aktionär bei Scania, ins Spiel. Der damalige Konzernpatriarch Ferdinand Piëch drehte den Spieß um. Er ließ im großen Stil MAN-Aktien aufkaufen. So hatte Wolfsburg am Ende sowohl in München als auch in Södertälie (Schweden) das Sagen. Piëch machte keinen Hehl daraus, dass Scania sein Favorit war. In recht kurzen Abständen wurde immer wieder das MAN-Management ausgewechselt.
Piëchs Ziel war es, MAN ähnlich profitabel zu machen, wie es Scania bereits war. Das allerdings scheiterte nicht zuletzt am unterschiedlichen Produktmix. Während Scania sich auf schwere Nutzfahrzeuge beschränkte, hatte MAN traditionell auch immer die wesentlich margenschwächeren mittleren Nutzfahrzeuge im Programm. Da gibt es – ähnlich wie bei VW und Audi* – einen uneinholbaren Profitabilitätsvorsprung für die teureren Fahrzeuge.
Mit dem Abgang des mittlerweile verstorbenen Ferdinand Piëch bei Volkswagen entspannte sich das Verhältnis. Es wurden die Kompetenzen so verteilt, dass weder die Schweden* noch die Deutschen sich über den Tisch gezogen fühlten.
Doch als Scania-Chef Christian Levin von VW als Chef der Nutzfahrzeug Holding Traton* eingesetzt wurde, brachen in München alte Wunden wieder auf. Das empfinden viele altgediente MAN-Mitarbeiter schon als eine Art feindliche Übernahme. Die Verunsicherung wuchs noch, als am Mittwochnachmittag Traton in einer Mitteilung etwas versteckt die Botschaft lancierte, dass der Scania-Manager Alexander Vlaskamp als MAN-Chef Andreas Tostmann ersetzen wird.
Der Konzern MAN, der mit seinen Wurzeln im Ruhrbergbau auf eine 262-jährige Geschichte zurückblickte, ist inzwischen abgewickelt. Bei seiner wichtigsten Tochter, der MAN Truck & Bus SE, rechnen nun viele damit, zur verlängerten Werkbank für schwedische Nutzfahrzeugtechnologie degradiert zu werden.
Welches Gewicht die Zusicherung des Ex-Chefs Tostmann hat, dass München das Hauptwerk* bleibe, wie er jüngst gegenüber unserer Zeitung versichert hatte, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Fahrzeuge der schweren Reihe werden außer in München auch in Krakau produziert. Keine Frage, welcher Standort profitabler ist. (mp/utz) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA