Tabubruch bei Volkswagen: MAN-Vorstand kündigt Jobgarantie auf – Massive Kündigungswelle droht

Der Münchner Lkw-Bauer MAN greift zu radikalen Maßnahmen. Mit dem Ende der Jobgarantie droht dem Konzern ein knallharter Konflikt - mit weitreichenden Folgen für den gesamten VW-Konzern.
- Der Lkw-Bauer MAN will 9500 Stellen streichen. Alleine in München könnten 3000 Jobs wegfallen.
- Jetzt hat der Konzern die Jobgarantie gekündigt. Damit sind auch betriebsbedingte Kündigungen möglich.
- Nun befürchten Mitarbeiter, dass auch andere VW-Töchter dem Beispiel folgen könnten.
München - Im Streit um geplante Einsparungen beim Münchner Lkw-Bauer MAN greift der neue MAN-Chef Andreas Tostmann jetzt zu radikalen Maßnahmen. Der Vorstand von MAN Truck & Bus hat am Dienstagmorgen die bestehende „Standort- und Beschäftigungssicherung vorerst“ zum 30. September gekündigt.
Damit könnte die VW-Tochter Mitarbeiter auch betriebsbedingt kündigen. Bislang waren betriebsbedingte Kündigungen vertraglich ausgeschlossen. Die erst 2018 verlängerten Beschäftigungs- und Standortsicherungsverträge in München, Nürnberg und Salzgitter laufen bis zum 31.12.2030. Nun will der neue MAN-Chef Andreas Tostmann freie Hand haben.
„Um die geplante Neuausrichtung von MAN einzuleiten, sieht sich das Unternehmen gezwungen, aus wirtschaftlichen Gründen“ die entsprechenden Verträge „für die Standorte in Deutschland und Österreich aufzukündigen", heißt es in einem Schreiben an die Mitarbeiter, das Merkur.de* vorliegt.
VW-Tochter setzt Ultimatum: Einigung bis Jahresende
Zugleich setzte der Konzern dem Betriebsrat indirekt ein Ultimatum. Sollten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis Ende des Jahres einigen, „können abhängig vom Verhandlungsergebnis die Sicherungsverträge ganz oder teilweise wieder in Kraft gesetzt werden“. Sollte dies nicht gelingen, „laufen die Vereinbarungen zum Jahresende oder im Jahr 2021 aus“.
MAN kündigt Jobgarantie auf - folgt eine Kündigungswelle?
Die Ankündigung gilt als Tabu-Bruch im Volkswagen-Konzern.* Der Autobauer ist eine Hochburg der IG Metall. Gegen den mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh geht in Wolfsburg kaum etwas. Aus MAN-Kreisen heißt es, Tostmann dürfte die Beschäftigungssicherung „wohl kaum ohne Rückendeckung aus dem VW-Vorstand gekündigt haben“.
Der Schritt könnte damit auch ein Hinweis auf eine grundlegende Neuausrichtung im Verhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeiter-Vertretern innerhalb des gesamten Volkswagen-Konzerns sein. „Wenn der MAN-Vorstand das jetzt so durchzieht, dann sind auch die Beschäftigungssicherungsverträge bei anderen VW-Töchtern nicht mehr viel wert“, sagte ein Münchner MAN-Mitarbeiter am Dienstag. Die über Jahrzehnte gewachsene Sozialpartnerschaft stehe auf dem Spiel.
MAN hatte Mitte September den Abbau von insgesamt 9500 Stellen in Deutschland und Österreich angekündigt. Damit könnte jeder zweite Arbeitsplatz in den beiden Ländern wegfallen. Das Werk in Steyr (Österreich) sowie die Standorte Plauen (Sachsen) und Wittlich (Rheinland-Pfalz) stünden zur Disposition, hieße es. Zugleich zeichnet sich eine umfassende Neuausrichtung des Konzerns ab.
MAN: Weitreichende Umbaupläne
Danach soll die Fertigung von schweren Lkw sowie von Fahrerhäusern aus dem Stammwerk in München abgezogen und ins MAN-Werk in Krakau verlagert werden. Die Achsproduktion in München könnte zudem an Zulieferer vergeben werden.
Allein in München stünden damit 3000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Weitere 1300 Stellen könnten im MAN-Motorenwerk in Nürnberg wegfallen. Außerdem will Tostmann weitere 1500 Arbeitsplätze im deutschen Service- und Vertriebsnetz streichen. Dazu soll die Komponentenfertigung aus Salzgitter abgezogen werden und ebenfalls nach Krakau abwandern. Davon wären weitere 1400 Mitarbeiter betroffen.
Angesichts der Pläne hat der MAN-Betriebsrat bereits massiven Widerstand angekündigt. „Wir haben kein Interesse an Eskalation, sagen aber auch klar, dass wir für unsere Rechte kämpfen werden“, sagte MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris. Dazu will Stimoniaris auch die Arbeitnehmervertreter auf Konzernebene mobilisieren. Man werde „als geschlossene Arbeitnehmerbank die Rechte und Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen als auch unserer Marken im VW-Konzern“ vertreten, sagte er am Dienstag gegenüber Merkur.de*.
Der Vorsitzende des VW-Konzernbetriebsrats, Bernd Osterloh, wies die Pläne des MAN-Managements ebenfalls entschieden zurück. Bei dem Vorgehen handele es sich „um einen Angriff auf die gesamte Volkswagen-Familie“, sagte Osterloh. „Eine solche Vorgehensweise wird nicht ansatzweise zum Erfolg führen. Daher werden wir im Laufe der Verhandlungen dafür sorgen, dass die umfangreiche Beschäftigungssicherung wieder in Kraft tritt.“
Auch der Generalsekretär der bayerischen SPD, Uli Grötsch, ging mit dem MAN-Vorstand hart ins Gericht. „Das, was MAN mit der Aufkündigung von Standortgarantien gerade tut, ist eine Provokation und ein Schlag ins Gesicht für ein vertrauensvolles Miteinander von Belegschaft und Arbeitgebern in schwierigen Zeiten“, sagte Grötsch.
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