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Medikamenten-Mangel: Bundesärztekammer-Chef schlägt Arzneimittel-Flohmärkte vor

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Von: Lisa Mayerhofer

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In Deutschland gibt es Lieferschwierigkeiten bei Kindermedikamenten wie Fieber- und Hustensäften. Auch Mittel für Erwachsene sind betroffen. Doch können Arzneimittel-Flohmärkte die Lösung sein?

Berlin – In Deutschland herrscht aktuell Medikamentenmangel. Doch können Arzneimittel-Flohmärkte unter Nachbarn die Lösung sein? Das hat der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Wochenende vorgeschlagen. Nachbarn und Bekannte sollen einander mit Medikamenten aushelfen, um dem derzeitigen Medikamentenmangel entgegenzuwirken. Wer gesund sei, solle zu Hause vorrätige Arznei an Kranke abgeben. 

Apotheker: Idee von Arzneimittel-Flohmärkten „absurd“

Diese Idee hält der Präsident des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, Frank Eickmann, für „absurd“. Im Interview mit SWR3 erklärt er, dass es allein der Zustand vieler Hausapotheken unmöglich mache, Tabletten auszutauschen. Fehlende Beschriftungen, lose Blister und Tabletten, bei denen das Haltbarkeitsdatum nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden könne, sollten nicht ohne ärztlichen Rat ausgetauscht werden. „Es fehlt von Blutdrucksenkern, über Insulin, über Breitband-Antibiotika bis hin zu Schmerzmitteln. Wir können doch diese Arzneimittel nicht einfach gegeneinander austauschen“, so Eickmann weiter.

Zuletzt gab es ebenso Lieferschwierigkeiten bei Kindermedikamenten wie Fieber- und Hustensäften. Auch Mittel für Erwachsene sind betroffen, etwa Krebsmedikamente und Antibiotika, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erläutert hatte. Um gegenzusteuern, will er in dieser Woche auch Eckpunkte für einen Gesetzentwurf vorlegen, wie eine Sprecherin bekräftigte. Das Ministerium weist darauf hin, dass nicht alle Lieferengpässe auch Versorgungsengpässe bedeuten. 

Trotzdem werden Forderungen nach direkter staatlicher Krisenhilfe lauter. „Jetzt ist das Bundesgesundheitsministerium gefragt, so schnell wie möglich die fehlenden Arzneimittel zu beschaffen“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, am Montag. Nötig seien Sofortmaßnahmen wie zu Beginn der Corona-Pandemie, als auf dem Weltmarkt knappe Materialien wie Masken und Schutzkleidung nach Deutschland geholt werden mussten. Die Apotheken wandten sich strikt gegen Ideen zu „Nachbarschafts-Flohmärkten“ für Medikamente.

Knappheit bei Medikamenten: „Wir verwalten den Mangel“

Momentan greifen die Apotheken auf Alternativen zurück und üben sich in Mangelverwaltung. Eickmann erklärt gegenüber SWR3: „Wir verkaufen derzeit nicht mehrfach Packungen an fiebersenkenden Säften an ein und dieselbe Familie. Wir beraten und verkaufen dann Alternativen.“ So können Fiebersäfte etwa durch Zäpfchen ersetzt werden. Außerdem haben Apotheken die Möglichkeit, gewisse Medikamente nach Rezeptur in der Apotheke selbst herzustellen.

Die letzte Möglichkeit sei, dass man die Dosierung anpasse. „Zur allergrößten Not sagen wir dann, wie eine Tablette für Erwachsene jetzt runterdosiert wird und die Eltern dem fiebernden Kind helfen können. Also, wir verwalten den Mangel.“ Patienten mit Dauermedikation rät Eickmann, sich frühzeitig um ihre Medikamente zu kümmern: „Gehen Sie nicht erst nach der letzten Tablette zum Arzt und holen das Rezept, sondern sehr, sehr, sehr rechtzeitig – 14 Tage vorher. Zeit hilft.“

Linke: Rückholprämie von 10.000 Euro für ehemalige Beschäftigte im Gesundheitswesen

Angespannt ist die Lage angesichts der vorweihnachtlichen Welle mit Atemwegsinfekten weiterhin auch in vielen Kliniken. Der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte der Augsburger Allgemeinen: „Wir erleben gerade, dass alle Bereiche der Gesundheitsversorgung an ihre Grenzen stoßen.“ Auch niedergelassene Ärzte hätten ihre Kapazitäten ausgeschöpft und seien durch Krankheitsfälle zusätzlich beeinträchtigt. Dasselbe gelte für die Krankenhäuser, deren Betten knapp würden und die die Überlastung des niedergelassenen Bereichs kaum noch ausgleichen könnten.

Derzeit sorgen neben Corona die Grippe sowie bei Kindern RS-Viren für viele Erkrankungen. Fast jeder zehnte Klinikbeschäftigte ist zudem laut Gaß aktuell erkrankt. Die Linke forderte eine Rückholprämie von 10.000 Euro für ehemalige Beschäftigte im Gesundheitswesen, um die Personalnot zu lindern. Nötig seien zudem mehr Stellen, mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen, sagte Parteichef Martin Schirdewan in Berlin. Darüber hinaus verlangte er, die Herstellung von Medikamenten zurück nach Europa zu holen und die Kapazitäten auszubauen. (lma/dpa)

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