Denn die Puma-Beschaffung droht auf die lange Bank geschoben zu werden. 3,9 Milliarden Euro, die sich auf bis zu zehn Jahre verteilen, sind für die Beschaffung vorgesehen. Am 9. März berät das Bundeskabinett über den Bundeshaushalt 2022 – und da könnte der eigentlich eingetütete Puma-Auftrag verschoben werden. Ein schwerer Schlag für KMW und den Standort München aber – noch – nicht existenzbedrohend. Anders sieht es in der Lieferkette aus. Da sind auch Großbetriebe zu finden. MTU für die Motoren, Renk fürs Getriebe. Doch 287 der 320 Lieferanten für den Puma sind Mittelständler, 271 und damit 85 Prozent sind kleine mittelständische Betriebe. Für die ist die Verschiebung eines sicher geglaubten Auftrags existenziell, wie KMW-Chef Ralf Ketzel befürchtet. Einige stehen nach seinen Worten unmittelbar vor der Aufgabe.
Noch eine zweite Veränderung setzt die Betroffenen unter Druck. Immer mehr Banken verweigern Unternehmen der Verteidigungsindustrie Kredite. Sie nehmen damit einen Regelung der sozialen Taxonomie durch die EU vorweg, wonach Rüstung – anders als jüngst beschlossen Kernenergie oder Erdgas – als nicht nachhaltig gilt. Damit versiegen vor allem für die Kleinen der Branche die Geldquellen.
Betroffen ist, wie Ketzel bestätigt, auch KMW. Die BayernLB will mit dem ältesten Münchner Unternehmen der Schwerindustrie nichts mehr zu tun haben. Das bestätigt das staatliche Institut gegenüber unserer Zeitung: „Unter Einhaltung aller vertraglichen Vereinbarungen laufen die Geschäftsbeziehungen mit Rüstungsunternehmen dann aus, wenn diese vom renommierten Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) auf der Liste der größten Rüstungsunternehmen der Welt mit einem entsprechenden Umsatzanteil von mehr als 20 Prozent geführt werden.“
Die Industrie wünscht von der Politik ein Votum für die industrielle Basis der Verteidigungsfähigkeit Europas. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDSV, fordert: „Dieses Signal muss so klar und eindeutig sein, dass es die Banken davon abhält, sich – wie schon jetzt – zum Richter über Sein oder Nichtsein unserer öffentlichen Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit aufzuspielen.“
Es geht tatsächlich um Sein oder Nichtsein. Anders als beispielsweise in der Autoindustrie, wo es für fast alle Komponenten mehrere potenzielle Zulieferer gibt, handelt es sich bei Panzern fast überall um hoch spezialisierte industrielle Fähigkeiten, die man nicht planmäßig erlernen kann. Das Know-how wird nur innerhalb eingespielter Teams von älteren Mitarbeitern an die Jüngeren weitergegeben. Reißt man diese Teams auseinander, ist deren Fähigkeit in der Regel für immer verschwunden. Das hat die deutsche Industrie nach der Pleite von Dornier schmerzhaft erfahren. Die Fähigkeit, ein Verkehrsflugzeug zu bauen, war für Deutschland verloren. Der Augsburger Großmotorenbau von MAN hat, um Kosten zu senken, den Bau der tonnenschweren Kurbelwellen für Schiffsmotoren aufgegeben. Nun ist er auf Gedeih und Verderb auf global drei Lieferanten angewiesen, die Preise und Bedingungen nach Belieben diktieren können.
Beim Puma ist die Friedrich-Wilhelm Hütte in Bochum, die früher zu Thyssenkrupp gehörte, ein typisches Beispiel. Das hoch spezialisierte Unternehmen baut für den Schützenpanzer spezielle Stahlgussteile. Sie ist auch der einzige Hersteller, der die dafür erforderlichen Fähigkeiten hat. Gibt sie das auf, reißt sie damit eine Lücke, die kaum mehr zu schließen ist.
In Deutschland ist ganz konkret die Fähigkeit zum Bau gepanzerter Kettenfahrzeuge in Gefahr. Und das ist längst nicht mehr nur ein nationales Problem. Kampfpanzer wie den Leopard 2 kann inzwischen in der ganzen westlichen Welt nur noch das Konsortium von KMW und Rheinmetall anbieten. Die britische, die französische und auch die Industrie der USA haben die entsprechenden Fähigkeiten aufgegeben. Weltweit gibt es außerhalb Chinas und Russlands nur noch in Südkorea einen entsprechenden Hersteller. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA
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