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Münchner Start-up will mit wiederverwendbaren Versandboxen den Onlinehandel revolutionieren

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Von: Jonas Napiletzki

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Ihre Versandboxen aus Polypropylen sollen nun Müllberge verhindern.
Ergänzen sich gut: Joshua Linn und Philip Mayer (r.) kennen sich seit ihrer Kindheit. Ihre Versandboxen aus Polypropylen sollen nun Müllberge verhindern – durch mehrfaches Verwenden und eine hohe Recyclingquote. Ihr Büro haben die Münchner in einer Halle in Raisting (Landkreis Weilheim) eingerichtet, in der ein Fotostudio für Produktbilder entstehen soll. Die Boxen gibt es in verschiedenen Größen für Firmenkunden. © Ralf Ruder

Um der Plastikflut auf den Ozeanen Herr zu werden, haben zwei Münchner ein Start-up gegründet. Sie stellen aus altem Plastik wiederverwendbare Versandboxen her.

München/Weilheim – Vor über 20 Jahren saßen Philip Mayer und Joshua Linn im selben Sandkasten. Heute teilen sie sich ein Büro. Die beiden Münchner Start-up-Gründer haben eine Halle in Weilheim gefunden, in der sie ihr eigenes Produkt entwickeln: wiederverwendbare Versandboxen in einem Kreislauf.

Start-up aus München will „Wegwerfgesellschaft“ ändern

Einer der Inhaltsstoffe steht exemplarisch in einem Dessert-Glas auf dem Schreibtisch. Das grüne Granulat aus asiatischen Fischernetzen rieselt wie Sand durch die Finger, besteht aber zu 100 Prozent aus Polypropylen (PP). Das Material ist einer der am häufigsten eingesetzten Kunststoffe, findet sich etwa in Verpackungen im Supermarkt wieder. Während Kunststoffabfälle aus privaten Haushalten laut Umweltbundesamt im Jahr 2019 nur zu 33 Prozent stofflich verwertet wurden, streben die Jungs aus München nach der 100-Prozent-Marke. „Die Wegwerfgesellschaft muss sich verändern“, sagt Linn.

Der Fokus liege auf einer Kreislaufwirtschaft, die das Start-up The Ocean Package mit einem geschlossenen System erreichen will: Die Boxen aus Polypropylen können von Firmen bis zu 20 Mal für den Versand genutzt werden, erklärt Linn. Anschließend holt The Ocean Package die Boxen bei ihren Firmenkunden ab und transportiert sie zu ihrem Produzenten, der sie separat in einer Maschine schreddert. Heraus komme sortenreines Granulat, aus dem fast eins zu eins neue Boxen entstehen – nahezu verlustfrei. „Auch Papier ist nicht schlecht, es besteht aus nachwachsenden Rohstoffen“, sagt Mayer. „Aber es ist ein Einwegprodukt, das jedes Mal und nur mit hohen Verlusten recycelt wird.“ Genau so kamen die jungen Männer auf ihre Idee. Stapelweise Karton-Müll hatte sich in Mayers Wohnung in München angehäuft. „Wir wollten eine Lösung finden.“ Das war vor zwei Jahren.

Münchner Start-up arbeitet mit Recyclingfirma aus Italien zusammen

„Wir haben fast eineinhalb Jahre Telefondienst gemacht“, sagt Mayer und schmunzelt. Der 24-Jährige hatte vorher im Vertrieb gearbeitet und „Start-up-Luft“ beim Lieferdienst Flaschenpost gesammelt. Joshua Linn hatte ein Jura-Studium begonnen, später Politik, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Passau studiert. „Wir ergänzen uns“, sagt Linn. „Ohne den anderen funktioniert es nicht.“

Anfangs, erzählt Mayer, war es nicht einfach, Recyclingfirmen für sich zu gewinnen. „Die dachten, wir schütten Müll in ihre 1,5 Millionen Euro teuren Maschinen.“ Fast 80 Prozent hätten abgesagt, nun arbeitet The Ocean Package mit einem Unternehmen in Italien. „Das ist für uns näher als Hamburg“, sagt Mayer. Noch regionalere Partner sucht er derzeit.

Das Geschäft nach Asien zu verlegen, sei indes keine Option. Auch mit gestiegenen Preisen läge eine Polypropylen-Box aus Italien zwischen drei und fünf Euro, ein Karton zwischen 50 Cent und 1,50 Euro, sagt Mayer. „Das kommt natürlich immer auf die Menge an.“ Aber: „Unsere Boxen halten 20 Versendungen aus – nach vier oder fünf Mal haben sie sich schon gerechnet.“

Große Onlineshops greifen bereits auf die Boxen der Münchner zurück

Die beiden Münchner haben mittlerweile die ersten 3000 Boxen produzieren lassen. Sie bestehen bisher noch zu 30 Prozent aus neuem Material und 70 Prozent aus recyceltem Polypropylen – davon wiederum ein Drittel aus Meeresplastik. Bestehende Boxen können fast vollständig in den Kreislauf zurückgeführt werden, wodurch sich der Recycling-Anteil langfristig erhöhen soll.

Damit das funktioniert, ist der Nutzerkreis auf den Business-to-Business-Bereich beschränkt: Unternehmen, die ihre verschickten Pakete fast immer von Kunden zurückbekommen. Die Zielgruppe mit Firmen, bei denen Retouren zum Kerngeschäft gehören, sei riesig. Als Pilotprojekt testet unter anderem Outfittery, ein Mode-Shop mit Stilberatung im Internet, die Boxen. Endkunden bekommen eine Auswahl an Kleidung zugeschickt, ein Großteil landet aber wieder in der Box und geht zurück an Outfittery. Ebenfalls Kunde ist 9 Borroughs, eine Münchner Firma, die Umstandsmode vermietet. Nach 20 Runden holt The Ocean Package die Boxen ab – sie kommen recycelt zurück in den Kreislauf.

Um das Modell in Schwung zu bringen, bekamen die Jungs Startkapital von einem stillen Teilhaber. Das große Ziel der 24-Jährigen und ihrer fünf freien Mitarbeiter: „Irgendwann auch den Markt mit Endkunden erreichen.“ Das Direkt-Geschäft mit Verbrauchern sei aber schwierig umzusetzen. Das Start-up bräuchte flächendeckend Rückgabestationen für die Boxen, statt sie von wenigen Firmenzentralen abzuholen. Die Voraussetzung sei dafür aber bereits vorhanden, erklärt Mayer. „Jeder sammelt ja auch Flaschenpfand.“

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