Neue Abgasnormen: Autofahren wird laut Wissing zum Luxusgut
Die Zukunft soll den E-Fahrzeugen gehören. Aber was passiert mit Dieseln und Benzinern auf dem Weg dahin? Eine Übersicht zum Streit um die neue EU-Abgasnorm.
Berlin/München – Wie stark und ab wann soll der erlaubte Ausstoß schädlicher Abgase begrenzt werden? Diese Frage treibt Autoindustrie wie Umweltschützer um. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Vertreter der Autobranche haben die EU-Kommission vor einer zu scharfen Regulierung und einem möglichen Jobabbau im Zusammenhang mit der geplanten Abgasnorm Euro7 gewarnt. „Regulierung muss Mobilität fördern, nicht verhindern“, sagte Wissing.
Verkehrsminister Wissing zur Abgasnorm: „Mobilität wird zum Luxusgut“
Systematische Verknappung durch neue Regeln gefährde nicht nur den weiteren Hochlauf der E-Mobilität, sondern zunehmend auch Arbeitsplätze. „Wenn Fahrzeuge immer teurer werden, ohne dass damit mehr Umweltschutz verbunden ist, wird Mobilität zum Luxusgut“, kritisierte der FDP-Politiker. Hersteller und Industrieverbände hatten bereits mehrfach erklärt, die Einführung der nötigen Technik zur Einhaltung verschärfter Grenzwerte bei den Stickoxid-Emissionen sei zeitlich zu anspruchsvoll und dürfte Autos verteuern – im Verhältnis zum Gesamtpreis insbesondere kleinere Modelle.

Im November hatte die Kommission ihre Vorschläge vorgelegt. Es gibt Befürchtungen, im Fall einer entsprechend sinkenden Nachfrage nach Verbrennern könnten auch viele Jobs verschwinden. Volkswagen betonte: „Wir teilen die Einschätzung, dass Euro 7 in der jetzt vorliegenden Form negative Beschäftigungseffekte für die europäische Automobilindustrie hätte.“
Dagegen fordern Umweltorganisationen ein möglichst baldiges Aus für klassische Diesel und Benziner. Der Brüsseler EU-Behörde zufolge ist der Straßenverkehr die größte Quelle für Luftverschmutzung in Städten. Mit der neuen Norm sollen sauberere Fahrzeuge und eine bessere Luftqualität gewährleistet werden. Ziel von Euro 7 ist es, den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) durch Autos bis 2035 um 35 Prozent zu drücken, bei Bussen und Lkw um über 50 Prozent. NOx-Verbindungen standen auch im Zentrum des Abgasskandals, in dessen Folge mehrere Städte, auch München, Diesel-Fahrverbote erlassen hatten.
Renault, VW und BMW: Automobilindustrie positioniert sich gegen Abgasnormen
„Wenn die Automobilindustrie warnt, dass die Regulierung Fahrzeuge unnötig verteuert und die Beschleunigung der E-Mobilität behindert, ist das sehr ernst zu nehmen“, sagte Wissing. Der Verbrennungsmotor könne zudem mit synthetischen Kraftstoffen Klimaschutz und Mobilität vereinen: „Europa darf diese technologische Lösung nicht verhindern.“ Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten die Bundesregierung aufgefordert, die aktuellen Pläne zu Euro 7 nicht zu akzeptieren.
Sie fürchten im Fall der Umsetzung erhebliche Nachteile für die Industrie, heißt es in einem Brief der Ministerpräsidenten an Kanzler Olaf Scholz (SPD). Die Richtlinie soll ab Juli 2025 für neu zugelassene Fahrzeuge gelten. Europaparlament und EU-Staaten müssen den Vorschlägen zustimmen, es laufen Verhandlungen. Am Konzept der Kommission kann sich theoretisch noch einiges ändern.
In einem offenen Brief an die EU-Spitzen hatte der Vorsitzende des europäischen Autobranchenverbands Acea, Renault-Chef Luca de Meo, eine erwartete Kostensteigerung für Fahrzeuge durch Euro 7 zwischen sieben und zehn Prozent genannt. Bis zu 300.000 Arbeitsplätze könnten demnach auf dem Spiel stehen. Die Autobranche moniert überdies, dass die Kriterien für Abgastests nach den neuen Standards viel zu speziell seien.
„Der Luftqualität ist nicht geholfen, wenn wir die Abgasemissionen eines neuen Verbrenners mit Vollgas und Pferdeanhänger im ersten Gang auf einem Bergpass in den Alpen zum Maß der Dinge machen“, hieß es bei VW. Ein BMW-Sprecher sagte der Automobilwoche: „Euro7 sollte vor allem Schadstoffe regeln und nicht für ein früheres Ende des Verbrenners instrumentalisiert werden. Damit würde das Produktangebot unnötig verteuert.“ Auch manche Experten rechnen mit einer künftig „elitäreren“ Mobilität. (dpa)