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Preisverfall im Altkleider-Container:Der Millionenmarkt ist bedroht

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- München - Einen Pullover, über Jahre hinweg x-mal am Leib getragen, stopft man nicht in die Mülltonne, wenn die Ärmel ausgeleiert sind. Man trägt ihn zur Altkleidersammlung, damit ihn bald ein bedürftiger Mensch überstreift. Eine schöne Vorstellung, aber weltfremd. Altkleider sind ein Millionenmarkt - auch für gute Zwecke. Und den bedrohen massive Verwerfungen.

"Es ist eine unrealistische Erwartung, dass sämtliche Gebrauchtkleidung an Bedürftige bei uns weitergegeben werden kann", sagt Andreas Voget. Er ist Geschäftsführer des Dachverbands Fairwertung und müht sich um Aufklärung des Themas, "an dem starke Emotionen hängen". Ob in Kleiderkammern, Containern oder an der Haustür - jedes Jahr werden in Deutschland 600 000 Tonnen ausrangierte Textilien gesammelt, schätzt der Verband. Diese Masse enthält mindestens 300 Millionen tragbare Kleidungsstücke. Weit mehr als alle Bedürftigen Deutschlands brauchen. Und zu viel, als dass karitative Organisationen in der Lage wären, Stück für Stück auszusortieren, was zu gebrauchen ist.

"Wir haben gar nicht die Möglichkeit, Sortierstraßen zu installieren und das selbst zu machen", erklärt Thomas Hofmann vom Bayerischen Roten Kreuz. "Es ist teilweise sinnvoller, Containerware zu verkaufen und die Erlöse für unsere Zwecke zu verwenden." Spezialisierte Firmen kaufen "unsortierte Sammelware" zum Kilopreis. Und hier beginnen die Probleme.

Spezialfirmen kaufen Sammelware auf

Wie viel unsortierte Ware wert ist, hängt von ihrer Qualität ab. Brauchbare Kleidung wird an Second-Hand-Geschäfte, nach Osteuropa oder in die Dritte Welt verkauft. Die Mittelklasse wird zu Rohstoff und Putzlappen verarbeitet. Der Rest gehört auf den Müll. Mit der Gebrauchtkleidung verdienen die Sortierer das meiste Geld, die Rohstoffe bringen kaum etwas und für den Müll zahlen sie drauf. Denn für ihn fallen Deponie-Gebühren an. Daraus ergibt sich eine Mischkalkulation, die den Preis für unsortierte Ware bestimmt. Und der ist dramatisch eingebrochen.

Erhielten Kleidersammler Ende der 90er-Jahre etwa 40 Cent pro Kilo unsortierter Ware, sind es heute 9 bis 14 Cent, schätzt man bei Fairwertung. Ein Grund dafür ist, dass die Sammelware immer schlechtere Qualität hat. Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass im Jahr 2000 etwa 60 Prozent der deutschen Sammelware zu Preisen verkaufbar war, die über den Sortierkosten lagen. Heute sind es nur 35 Prozent.

Die Ursache für den Qualitätsverfall sieht Voget im Kaufverhalten. "Kleidung ist - zum Beispiel durch China-Importe - großteils billiger und qualitativ schlechter geworden", sagt er. Der Ramsch landet irgendwann in der Altkleidersammlung, wo er kaum zu verwerten ist. Zudem machen die Billig-Textilien der Second-Hand-Ware der Sortierer Konkurrenz und drücken deren Erlöse. Weil die Sortierer immer weniger verdienen, bekommen auch die Sammler weniger Geld. Die Folge: "Das Sammeln lohnt sich immer weniger", sagt Voget. Zwischen 12 000 und 15 000 Altkleider-Container sind nach Branchen-Schätzung im vergangenen Jahr abgebaut worden. Sortierfirmen machen dicht. "Im Lauf der letzten Jahre hat sich schon das eine oder andere Unternehmen zurückgezogen", berichtet Jörg Lacher vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung.

Der Preisverfall kostet wohltätige Organisationen Millionen. Ein Kilopreis von 12 Cent unterstellt, umfasst das deutsche Altkleideraufkommen in unsortierter Form ein Volumen von 72 Millionen Euro. Allein beim Bayerischen Roten Kreuz ist der Ertrag durch Altkleider im vergangenen Jahr mit 284 000 Euro auf die Hälfte abgesackt - obwohl die Sammelmenge um zehn Prozent gestiegen ist. "Da bricht ein Teil der Finanzierung in ohnehin schwierigen Zeiten weg", erklärt BRK-Experte Thomas Hofmann.

Andreas Voget von Fairwertung spricht angesichts der Lage von "großer Ratlosigkeit". Seiner Ansicht nach sollten die Kommunen die Standplatzmieten für Altkleider-Container senken. Außerdem müsse die Frage der Müllgebühren geklärt werden. "Für den Grünen Punkt oder Plastikmüll werden alle zur Kasse gebeten. Die Kleiderentsorgung ist bisher für die Verbraucher kostenlos." Und das könnte sich bald ändern.

Je weniger gesammelt wird, desto mehr Textilien landen im Hausmüll. Dessen Beseitigung kostet laut BVSE-Schätzung zwischen 130 und 200 Euro pro Tonne, die die Bürger über Gebühren zahlen. Bei einer Menge von 600 000 Tonnen Altkleidern in Deutschland könnte sich das auf bis zu 120 Millionen Euro summieren.

Während sich die Sammlung für seriöse Organisationen immer weniger lohnt, machen Betrüger gute Geschäfte. Dubiose Kleinunternehmen locken mit erfundenen Logos angeblicher Hilfsorganisationen auf Flugblättern. Sie geben vor, Kleider aus Haustürsammlungen an Behinderte oder in Krisengebiete weiterzuleiten. Tatsächlich verwerten sie sie und kassieren das Geld selbst. Und das oft mit illegalen Methoden. "Wer Asylbewerber für einen Euro pro Stunde zum Sammeln schickt, die Ware unter Umgehung des Zolls nach Osteuropa schafft und den Verkauf nicht versteuert, kann noch gutes Geld verdienen", erklärt Voget.

Beim BRK hat man einen Ausweg gefunden. In mehreren Städten - darunter Bad Tölz - hat das BRK eigene Second-Hand-Läden eröffnet. Kleiderspenden werden hier zum Teil selbst sortiert und die besten Stücke verkauft. Die Erlöse dienen wohltätigen Zwecken. Allerdings funktioniert das nicht überall. Sortierung und Laden-Betrieb sind zeitaufwändig. "Das kann man nur unter einer Voraussetzung machen: Man braucht ehrenamtliche Mitarbeiter, die alles unbezahlt erledigen."

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