Bankgebühren bei Sparkasse, Raiffeisenbank, Commerzbank: „Satte dreistellige“ Erstattungen winken
Der Bundesgerichtshof schiebt Bankgebühren durch die Hintertür einen Riegel vor. Die gängige Praxis ist unrechtmäßig. Millionen Deutsche haben jetzt ein Recht auf Rückzahlungen.
Karlsruhe - Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Für Banken und Sparkassen bedeutete Schweigen bisher vor allem eins: mehr Geld. Wollten Kredithäuser ihre Kontogebühren erhöhen, mussten sie ihre Kunden lediglich rechtzeitig darüber informieren. Widersprachen diese nicht explizit, galt die Änderung als vereinbart. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte diese gängige Praxis jetzt für rechtswidrig. Experten bezeichnet das Urteil als „ziemlichen Knaller“ – weil es Millionen Verbraucher betrifft und vor allem bedeutet: Es gibt Geld zurück.
Wie Bankkunden Gebühren zurückfordern können, erfahren Sie hier.
Der Vorsitzende Richter erklärte, Banken würden ihre Kunden unangemessen benachteiligen. Gebührenerhöhungen kämen einem neuen Vertragsabschluss gleich, heißt es in der Urteilsbegründung. Dafür bräuchte es einen Änderungsvertrag und nicht nur eine stillschweigende Zustimmung. Im verhandelten Fall hatten Verbraucherverbände gegen die Postbank geklagt. Das Urteil betrifft allerdings nicht nur die Postbank, sondern sämtliche Geldinstitute in Deutschland, ist sich die Stiftung Warentest sicher und erklärt „so ziemlich alle Gebührenerhöhungen von Banken und Sparkassen“ für unwirksam.
„Knaller“-Urteil: Raiffeisenbanken, Sparkassen und Co. müssen millionenfach Bankgebühren zurückzahlen
Dem Urteil zufolge müssten Banken laut Stiftung Warentest jetzt sämtliche Gebühren wieder auf das Niveau bei Vertragsabschluss zurückdrehen. „Das betrifft neben der Kontoführung auch Überweisungsentgelte, Kartengebühren, Entgelte, die aufgrund eines nicht mehr erreichten Mindestgehaltseingangs oder Depot- und Ordergebühren erhoben worden sind“, erklärt Christoph Herrmann, Rechtsexperte bei Stiftung Warentest, dem Handelsblatt.
Aber was bedeutet das für Verbraucher konkret? Folgt man den Ausführungen der Stiftung Warentest, müssen Banken, die ihre Gebühren in der Vergangenheit ohne aktive Zustimmung erhöht haben, – und das handhaben nahezu alle so – unrechtmäßig erworbene Geld zurückzahlen. Kunden hingegen müssen nur die bei Kontoeröffnung vereinbarten Preise zahlen.
BGH: Bankgebühren der Postbank rechtswidrig - Das müssen Verbraucher jetzt beachten
Eine Einschränkung gibt es: Beträge, die vor dem 1. Januar 2018 zu viel gezahlt wurden, sind verjährt. Trotzdem dürften die Rückzahlungen laut Stiftung Wartentest im „satt dreistelligen“ Bereich liegen. Die Postbank will sich zu den Auswirkungen der BGH-Entscheidung erst äußern, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Das dürfte in ein paar Wochen der Fall sein.
Erstatten Banken und Sparkassen die Beiträge dann automatisch? „So läuft es nicht“, befürchten die Warentester. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Bankkunden Rückerstattungen immer einfordern mussten – und oft nur mit Anwälten im Schlepptau Erfolg hatten. Die Verbraucherschützer erklären: „Wer bei monatlichen Pauschalgebühren leicht ausrechnen kann, wie viel Geld seine Bank oder Sparkasse zu erstatten hat, kann gleich Zahlung fordern.“ Wo es komplizierter ist, könne man eine Aufstellung der gezahlten Gebühren von den Banken fordern. Dafür bietet die Stiftung bereits Mustertexte an.
Bankgebühren bei Sparkasse, Raiffeisenbank und Co. unrechtmäßig: Der wunde Punkt für Betroffene
Tobias Tröger, Juraprofessor an der Frankfurter Goethe-Universität, bezeichnet die BGH-Entscheidung im Handelsblatt als „sehr bedeutsam“. Dass Kunden jetzt tatsächlich massiv Gebühren und Entgelte zurückverlangen können, sei trotzdem nicht gesagt. Er verweist auf Besonderheiten im Zivilrecht. Auch Patrick Rösler, Chef des Finanz Colloquiums Heidelberg, bremst die die Erwartungen: „Es sieht derzeit leider so aus, dass der Aufwand im Massengeschäft für Bank und Kunde extrem zunehmen wird, ohne dass der Kunde daraus am Ende wirklich einen Vorteil hat.“ Damit legt Rösler einen Finger in die Wunde.
Denn: Zwar ermöglicht das BGH-Urteil möglicherweise Rückforderungen und schützt Verbraucher künftig vor steigenden Gebühren durch die Hintertür, nicht aber vor steigenden Gebühren an sich. Die Stiftung Warentest geht davon aus, die meisten Geldhäuser ihren Kunden neue Bedingungen für die Kontoführung anbieten werden. Und würden sich Kunden darauf nicht einlassen, würden die Banken und Sparkassen wohl kündigen. Dann muss man sich eine neue, billigere Hausbank suchen. Und das konnte man auch vorher schon. (Jonas Raab)